Diversität und Gleichstellung
„Veränderung passiert von innen heraus“
Welche Vorurteile begegnen uns im Alltag in der Landwirtschaft und wie können wir alle zukünftig besser damit umgehen? Vier Kolleginnen erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen.
Die Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt – dennoch begegnen besonders Frauen oft Vorurteile, wenn sie sich für einen Job in der Agrarbranche oder den Naturwissenschaften entscheiden. Dabei zeigen Studien, dass beispielsweise divers besetzte Führungspositionen für bessere Unternehmensergebnisse sorgen und so einen positiven Effekt für alle Mitarbeitenden haben. Wir haben mit Kolleginnen aus verschiedenen Ländern über ihre Perspektive gesprochen, was bei KWS schon gut funktioniert und welche Initiativen sie sich für die Zukunft wünschen. Gleichzeitig reflektieren männliche Führungskräfte darüber, warum Diversität für KWS von zentraler Bedeutung ist – und wie ihre eigene Rolle als aktive Mitgestalter positiver Veränderungen aussieht.
Frauen in der Beratung, auf landwirtschaftlichen Betrieben und in Führungspositionen schaffen eine inklusive Arbeitsumgebung.
Der Mythos, dass Frauen körperlich nicht für die Landwirtschaft geeignet wären, hält sich teilweise bis heute. Das stimmt absolut nicht, findet Francesca Zogno, Sales Excellence Manager aus Italien. „Heutzutage haben wir auf dem Feld viel mehr moderne Technologien, die den Einsatz von physischer Arbeit verringert haben. Erfolg in der Landwirtschaft basiert jetzt viel mehr auf dem richtigen Management und guter Organisation, nicht mehr darauf, welches Geschlecht die Mitarbeitenden haben.“
Jennifer Peterson, Senior Breeding Technician Sugarbeet aus Shakopee in den USA, ergänzt: „Teilweise wirkt es so, als könnten Frauen einen bestimmten Job nicht so gut ausführen – dabei sind es die Umstände, die uns die Arbeit erschweren. Ich erinnere mich, als ich eine Arbeit im Schutzanzug ausführen wollte. Er war einfach viel zu groß, da er an Männermaße angepasst war, schleifte hinter mir auf dem Boden und hat meine Arbeit so unnötigerweise behindert. Auch Traktor fahren kann schwieriger für uns sein, wenn wir nicht so gut an die Pedale herankommen. Für all das könnte es einfache Lösungen geben.“
„Eine Erfahrung, die mich in den frühen Tagen meines Agrarwissenschaftsstudiums tief geprägt hat: Uns Studentinnen wurde von den männlichen Kommilitonen – halb im Scherz, halb im Ernst – gesagt, wir seien nicht zum Studieren hier, sondern weil das Studium als hervorragender Heiratsmarkt gelte. Ich hatte damals kein Interesse, zu heiraten – ich war in die Wissenschaft des Studienfachs verliebt“, erzählt Wiebke Sannemann, Principal Research Lead Native Traits Mais.
„Diverse Führungsteams
machen KWS stärker.“
Jörg Philipps
Unterschiedliche Herausforderungen
Suelen Oliveira Arantes, Product Development Manager Brasilien, erzählt: „Ich lebe in Brasilien, wo es sehr üblich ist, dass Frauen in der Landwirtschaft arbeiten. Dennoch gibt es Hürden – es ist beispielweise sehr schwierig, Kinder zu betreuen, wenn man im Feld arbeitet und viel reisen muss. Oft verlässt man als Frau sein vertrautes Umfeld oder seine Heimat für einen Job, und Ganztagsbetreuungen sind extrem teuer. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen Betreuungslösungen oder Homeoffice anbieten, damit man als Frau beruhigt arbeiten kann. Sonst passiert es oft, dass Frauen ihren Job aufgeben, weil ihre Kinder sonst allein zu Hause sind.“
Ähnlich sieht es Jennifer: „Es ist ein Mythos, dass Kinder oder eine Schwangerschaft per se nicht mit einem Job in der Landwirtschaft oder den Naturwissenschaften vereinbar sind. Frauen sollten nicht von Beförderungen ausgeschlossen werden, nur weil sie schwanger werden könnten. Ich habe zwei Kinder bekommen, während ich für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet habe, und habe den Umgang mit meiner Schwangerschaft dort als sehr negativ und belastend empfunden. Das hat sich zum Glück mit meinem Wechsel zu KWS und meinem dritten Kind geändert – hier konnte ich einige Tage in der Woche im Homeoffice arbeiten. Denn bis zur Geburt habe ich mich fit gefühlt und konnte den digitalen Teil meines Jobs problemlos zu Hause erledigen.“
In sicherem Rahmen über geschlechterspezifische Vorurteile zu sprechen, schafft nach Ansicht von Wiebke Sannemann ein Bewusstsein für das Thema.
Suelen Oliveira Arantes sieht KWS auf einem guten Weg. Ein Verbesserungsvorschlag: ein Mentoringprogramm für weibliche Führungskräfte.
Die Rolle der Führungskräfte
Um Lösungen umzusetzen, bedarf es der Beteiligung aller. Besonders von männlichen Führungskräften wünschen sich viele Frauen eine bessere Reflexion und ein anderes Handeln. Denn aufgrund ihrer Position sind sie es oft, die im Team Veränderungen anstoßen und andere dazu aufrufen können, über eigene Vorurteile nachzudenken.
„Männer in Führungspositionen können viel dazu beitragen, dass ein Umdenken stattfindet“, so Suelen aus Brasilien. „Die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen sollte aufhören. Wir sind bestimmt verschieden, ergänzen uns aber und können so zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Männliche Führungskräfte könnten dafür einstehen, dass Frauen an Entscheidungsprozessen stärker beteiligt und in sie eingebunden werden. Und im Team offen über Unterstützungsangebote sprechen, die verfügbar sind, falls sich jemand nicht traut, danach zu fragen, aus Sorge, stigmatisiert zu werden.“
„Vielfalt in Führungspositionen erweitert unseren Horizont und stärkt die Qualität unserer Entscheidungen. Weibliche Führungskräfte bereichern unser Unternehmen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Perspektiven und emotionaler Intelligenz – und bringen zugleich kreative Ansätze zur Problemlösung ein“, sagt Jörg Philipps, Head of Business Unit Sugarbeet. „Das ermöglicht uns, nachhaltigere und innovativere Lösungen zu entwickeln. Langfristig machen diverse Führungsteams KWS widerstandsfähiger, zukunftsfähiger und insgesamt stärker.“
„Wir sollten es nicht mehr als außergewöhnlich bezeichnen, wenn beispielsweise eine Frau nach der Elternzeit zurückkehrt oder sogar befördert wird“, findet Francesca. „Wenn es als normal gilt, dass Frauen Führungspositionen innehaben, haben wir eine wirklich inklusive Arbeitsumgebung erschaffen.“
Wiebke ergänzt: „Akzeptanz ist der erste Schritt zur Veränderung. Wie die Tatsache, dass Männer – auch ohne sichtbare Privilegien – von unbewussten Vorurteilen profitieren können, die ihnen den Weg in Führungspositionen erleichtern. Und wir alle müssen akzeptieren, dass geschlechtsspezifische Vorurteile nicht nur unsere Arbeitswelt durchziehen, sondern tief in gesellschaftlichen Strukturen verankert sind.“
Ein aktiver Beitrag zur Veränderung kann nach Wiebkes Ansicht darin bestehen, den Dialog mit Frauen zu suchen, ihre Perspektiven kennenzulernen, an Workshops teilzunehmen, Bücher zu lesen – und als Mann bewusst Feedback von Kolleginnen einzuholen.
„Akzeptanz ist der erste Schritt zur Veränderung.“
Wiebke Sannemann
Gemeinsam die Zukunft gestalten
„Jeder Mensch hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Anzunehmen, dass diese auf dem Geschlecht basieren, ist Voreingenommenheit; sie anhand der Leistung zu bewerten, beruht auf Tatsachen“, so Francesca. Suelen ergänzt: „KWS ist schon auf einem guten Weg, ich konnte beispielsweise vor einigen Monaten erstmals eine Managementposition beginnen und wurde dabei durch Trainings unterstützt. Trotzdem wäre ein Mentoringprogramm, das gerade weibliche Führungskräfte unterstützt, wirklich hilfreich.“
Wiebke empfiehlt: „Machen Sie sich mit den unausgesprochenen Normen am Arbeitsplatz vertraut: Wer wird gebeten, Protokoll zu führen oder die nächste Veranstaltung zu organisieren? Wer ergreift in Meetings das Wort – und wer nicht? Wenn Sie im Team oder am Arbeitsplatz Vorurteile beobachten, sprechen Sie sie offen an. Seien Sie ein Verbündeter in Gesprächen. Über geschlechtsspezifische Vorurteile zu sprechen, hilft, das Thema zu enttabuisieren und Bewusstsein zu schaffen.“
Wer feststelle, dass er selbst voreingenommen gehandelt habe, sollte das transparent machen und überlegen, was zukünftig geändert werden muss. „Wichtig ist, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem Vorurteile angesprochen werden dürfen – denn nur so können wir sie sichtbar machen und verändern“, sagt Wiebke.
Die Möglichkeit zum Homeoffice kann für Frauen ganz andere wichtige Gründe haben als für Männer – wie bei Jennifer Peterson während ihrer dritten Schwangerschaft.
Eine wirklich inklusive Arbeitsumgebung ergibt sich, wenn Frauen in Führungspositionen als normal gelten, sagt Francesca Zogno.
Ambitionsfeld „Top Arbeitgeber“
„Im Kontext unserer strategischen Ambitionsfelder – ‚Top Arbeitgeber‘ und ‚Profitables Wachstum‘ – ist es für KWS von zentraler Bedeutung, Diversität, Gleichstellung, Inklusion und Zugehörigkeit auf allen Unternehmensebenen weiter zu stärken“, betont Zee-Won Sur, Head of Group Strategy. „Im Global Leadership Team haben wir daher gezielt Maßnahmen ergriffen, um die weibliche Talentpipeline zu fördern und die Gleichstellung voranzubringen.“
Erfahrungen sind immer persönlich, aber der Blick über die eigene Abteilung oder das Land hinaus kann dabei helfen, Vorurteile und Hindernisse besser zu verstehen, die Kolleginnen überwinden müssen. „In der aktuellen amerikanischen Kultur treten Frauen eher in den Hintergrund“, so Jennifer. „Männern bei Terminen immer die Redepriorität zu geben, kann unsere Ideen ‚stummschalten‘. Oft ist es so, dass die Gruppe dazu beiträgt, eine Idee oder einen Einwand zu unterstützen – Frauen sollten sich keine Sorgen machen müssen, ihren Beitrag vorzubringen. Das könnten männliche Führungskräfte beispielsweise noch stärker unterstützen, indem sie jede Person zu Wort kommen lassen.“ Und sie ergänzt: „Führungspositionen zu ergreifen, ist viel einfacher, wenn es jemand vormacht, der einem selbst ähnelt. Deswegen sollten wir Frauen mehr ermutigen und Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben. Wir haben da bei KWS bereits eine gute Kultur und sollten uns klarmachen: Wenn wir Frauen mehr unterstützen, gewinnt jede und jeder von uns.“ |
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