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Porträt

Sandra Dunckel

Architektin für Hybridgerste

Als Sandra Dunckel 2019 zu KWS kommt, ist unsere Hybridgerstenzüchtung noch in einer frühen Phase. Danach erlebt sie, wie in Teamwork erste Sorten auf den Markt kommen. Jetzt steht für sie ein Umbau der Züchtung an mit Blick auf die Strategische Planung 2035.

Großbritannien war der erste Markt für Hybridgerste von KWS. Jetzt haben Züchtungsleiterin Sandra Dunckel und ihr Team zwei weitere Länder im Blick.

Die Arbeit als Architektin hatte sich Sandra Dunckel anfangs anders vorgestellt. Häuser gestalten, vielleicht auch Theater oder berühmte Opernhäuser bauen und um die Welt reisen? Als Sandra ein Praktikum in einem Architekturbüro machte und während des Bachelors und des Masters nebenbei weiter dort arbeitete, merkte sie schnell: Die meiste Zeit geht es gar nicht ums Gestalten. „Ich habe viel gelernt, und die Leute waren supernett.“ Zugleich war es für die Schweizerin aber auch ein Zeichen, dass sie mit ihrem tatsächlich eingeschlagenen Weg doch richtig lag.

Denn eigentlich studierte sie während des ersten Praktikums schon ein Jahr lang Agrarwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Sie war jedoch unsicher, ob sie in dem Studiengang weitermachen wollte. Nach der Erfahrung im Architekturbüro wusste sie trotz ihrer Leidenschaft für Design: Sie wollte.

„Ich interessierte mich für Wissenschaft und Wirtschaft.“ Eine Berufsberatung hatte Sandra deshalb Agrarwissenschaften empfohlen. „Das klang gut – weil es beides vereint.“ Noch dazu hatte die gebürtige Argentinierin, die als Sechsjährige mit ihren Eltern aus dem Heimatland ihres Vaters in die Schweizer Heimat ihrer Mutter zog, das Unterwegssein lieben gelernt. „Für mich war es wichtig, in meinem Beruf international tätig sein zu können. Mir wurde klar, dass ich als Architektin vermutlich in der Schweiz festsitzen würde.“ Die Agrarwissenschaften hingegen brachten sie weit herum: aus der Schweiz und Argentinien über die USA und Australien als Züchterin zu KWS in England.

Das kam so: Nach ihrem Bachelor in der Schweiz verbrachte Sandra mehr als ein halbes Jahr in Argentinien bei einem Agrarkonzern von einem Freund ihres Vaters. „Wir haben uns um das Management von Großfarmen gekümmert: Saatgutauswahl, Fruchtfolgen, Pflanzenschutz und Aussaatzeiten zum Beispiel.“

Wie auch im Architekturbüro lernte sie viel und hatte Spaß an der Arbeit. Aber ein Leben lang? „Mir war danach klar, dass ich weiterstudieren wollte, und ich ging dann mit meiner Masterarbeit in die Pflanzenzüchtung.“ Ihren Master über Weizengenetik machte sie in den USA, ebenso ihre Promotion über Pre-Breeding beim Weizen, die über ein Industriestipendium finanziert war. Es ermöglichte ihr, jedes Jahr zwei Monate in Mexiko in der international tätigen Forschungseinrichtung CIMMYT zu verbringen, wo Teile ihrer Feldversuche angebaut waren.

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▶ Hybridkraft

Züchtungsmethode mit Zukunft: Sandra Dunckel erklärt das Potenzial der Hybridgerste und nennt die Meilensteine.

Aufbau einer Züchtungsstrategie

Sie wäre in den USA geblieben, aber die Angebote in der Mais- und Sojabohnenzüchtung sprachen sie wenig an: „Ich hätte nur vorgegebene Strategien erfüllen müssen. Dafür habe ich aber nicht selbst die neuesten Züchtungsstrategien studiert.“ Gegen Ende ihres Postdocs hatte sie außerdem Lust auf einen weiteren internationalen Umzug. Fündig wurde sie am anderen Ende der Welt: In einer zwölfköpfigen Firma in Australien war sie die Einzige mit ihrer Expertise und setzte binnen zweieinhalb Jahren eine neue Züchtungsstrategie auf. Doch dann merkte sie: An sich selbst zu wachsen, dafür bot das Arbeitsklima in dem Unternehmen keine Anreize mehr.

Also schaute sie sich nach neuen Möglichkeiten um, und so kam KWS ins Spiel. Sandra kannte das Unternehmen schon aus dem Studium in den USA und trat die Position als stellvertretende Leitung der Gerstenzüchtung im Februar 2019 an. „Die Entscheidung war nicht einfach, weil ich Australien sehr mag. Aber es war eine gute Möglichkeit, näher zu meiner Familie in Europa zu kommen, und es hat sich als die beste Karrieremöglichkeit dargestellt.“

Denn neben der etablierten Linienzüchtung befand sich bei der Gerste gerade die Hybridzüchtung in einer spannenden Start-up-Phase. „Es war zu dem Zeitpunkt noch überhaupt nicht klar, wann wir erste Hybridsorten in offiziellen Länderversuchen anmelden könnten.“ Das Ziel war es aber, produktionsfähige Mütter und Väter mit gewünschten Eigenschaften zu gewinnen (Infografik: wie Hybridzüchtung funktioniert). „Wenn man die Komponenten erst einmal hat, kann man die Hybridkombinationen schnell umsetzen“, sagt Sandra. „Was dauert, ist das Entwickeln dieser Komponenten mit gewünschten Merkmalen. Auf der Mutterseite dauert es bis zu zehn, auf der Vaterseite bis zu sieben Jahre.“ Bei der Gerste kommt erschwerend hinzu, dass das eigentlich selbst befruchtende Getreide zur Fremdbefruchtung gezwungen werden muss.

Hybridgerste von KWS kommt den Wettbewerbern nach nur drei Jahren immer näher für Sandra Dunckel nicht nur züchterisch ein großer Erfolg.

Wegbereiterin und Strategin

Sandra reiste in dieser Zeit häufig zu den Hybridgerste-Standorten in Wetze (Deutschland), Mons-en-Pévèle (Frankreich) und ihrem Zuhause in Thriplow (England), um sich bei den Züchterinnen und Züchtern ihres Teams über den aktuellen Stand zu informieren. Denn ihre Aufgabe seit 2020 als Leiterin der Gerstenzüchtung – ist das große Ganze. „Ich bin eine Wegbereiterin für mein Team und halte ihm den Rücken frei, indem ich mich um Strategie, Personalplanung, Budgetierung und das Management mit den Business Units kümmere.“ All das sind organisatorische Dinge, bei denen sich ihre Erfahrungen aus dem Architekturbüro als nützlich erweisen: „Ob Baustelle oder Feldversuche beides braucht eine Budgetierung und ein Projektmanagement. Das gehört zu meinen Aufgaben.“

Mit Blick auf die Strategische Planung 2035 wird es für Sandra auch darum gehen, ihr Team von der Linien- auf die Hybridzüchtung umzustellen: In den nächsten zehn Jahren will KWS das Hybridportfolio für noch mehr Kulturarten ausbauen und eine starke Marktpräsenz in diesem Bereich erreichen. „Da ist ein Umdenken in der Züchtung nötig.“ Zwar geht es auch bei Hybridsorten am Ende um Ertrag und Resistenzen, aber der Weg dorthin verläuft anders: „Die Linienzüchtung ist wie ein Trichter, und am Ende steht nach vielen Kreuzungen eine Sorte. Bei der Hybridzüchtung geht es um genetisch unterschiedliche Pools aus Müttern und Vätern, die in einer finalen Kreuzung dann die gewünschten Eigenschaften liefern“, fasst sie vereinfacht zusammen. Diese möglichst ideale Kombinationsfähigkeit aus beiden Elternlinien ist wesentlich für die Hybridzüchtung.

Schon heute wachsen die Linien- und die Hybridzüchtung immer mehr zusammen. „Zwei der Linienprogramme liefern beispielsweise die Mütter für das Hy­brid­pro­gramm“, nennt Sandra als Beispiel. Und sie ist überzeugt, die Strategie bis 2035 umsetzen zu können. „Wir haben genügend Zeit, um die Leute mitzunehmen und das Team ­vorzubereiten.“

„Wir sind gut aufgestellt und auf Kurs.“

Sandra Dunckel

Meilensteine bei der Hybridgerste

Ohnehin betont Sandra, wie wichtig ihr der Teamgedanke ist. Das merkt man, wenn sie über die Meilensteine bei der Hybridgerste spricht. Zwar nennt sie aufseiten der Züchtung zunächst die ersten Zulassungsversuche zur Ernte 2022 und die ersten Sortenzulassungen 2024 in England einem Markt, der dieser Form der Gerstenzüchtung sehr offen gegenübersteht. Aber auch, dass Hybridgerste auf der Insel mittlerweile ins dritte Jahr der offiziellen Prüfungen geht und den Wettbewerbern immer näher kommt, hebt sie als Qualitätsmerkmal der Sorten hervor. „Es ist insgesamt ein Erfolg mehrerer Abteilungen Vertrieb, Marketing, Saatgutproduktion, Züchtung und weiterer Funktionen.“

Und mit Blick auf die nähere Zukunft ist sie überzeugt, dass das Portfolio weiter wachsen wird. Nach England wird es Hybridgerste in Deutschland und Frankreich geben. „Unsere Pipeline ist gut aufgestellt, und wir sind auf Kurs.“

Wenn Sandra auf diese Entwicklung zurückblickt, dann kann sie von sich behaupten, mit ihrer Berufswahl die richtige Entscheidung getroffen zu haben. „Ich möchte eine Arbeit, die Sinn ergibt und mit der ich etwas bewirke. In der Pflanzenzüchtung kann ich das.“ |


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