Menschen

Porträt

Milena Ouzunova

Wissen über
Generationen hinweg

Als Milena Ouzunova zu KWS kam, steckten einige heute gängigen Züchtungstechnologien noch in ihren Anfängen. Nach 28 Jahren geht sie in den Ruhestand, nennt wegweisende Entwicklungen und hebt die Bedeutung von Teamarbeit hervor auch für den Wissenstransfer.

Milena Ouzunova leitete fast drei Jahrzehnte die angewandten Züchtungstechnologien für Mais und Ölfrüchte. Mit ihrer Nachfolgerin Silke Wieckhorst arbeitete sie schon vierzehn Jahre zusammen.

Milena Ouzunova könnte prahlen. Sie könnte die Meilensteine der angewandten Züchtungstechnologien für Mais und Ölfrüchte als Errungenschaften ihrer eigenen Karriere hervorheben schließlich leitet sie den Bereich bei KWS seit fünfzehn Jahren und ist fast doppelt so lang im Unternehmen. Da geht es beispielsweise um molekulare Marker, mit denen sich die Züchtung beschleunigen ließ. Oder um die genomische Selektion als „Game-Changer“ der Anwendung molekularer Marker in der Pflanzenzüchtung. Damit sind für die Züchtung seit Anfang der 2010er noch präzisere und frühere Prognosen darüber möglich, welche Pflanzen sich für die Sortenentwicklung eignen viele Feldversuche können durch diese Vorselektion entfallen. Und es geht bei den Meilensteinen um den weltweit erstmaligen Einsatz der Doppelhaploiden-Technologie beim Mais. Milena nennt diese Ereignisse, keine Frage. Aber sie bezieht die Meilensteine nicht auf sich – sondern sieht sie als Teamerfolg an.

Ganz am Anfang, am 1. Januar 1997, gab es dieses divers zusammengestellte Team aus heute 65 Kolleginnen und Kollegen mit fünfzehn Nationalitäten noch nicht. Damals kam Milena zu KWS, um den Bereich der angewandten Züchtungstechnologien für den Mais aufzubauen. Projektleiterin Molekulare Marker hieß ihre Stelle. „Diese Technologie war noch etwas sehr Neues. Für mich war es spannend, Überzeugungsarbeit bei den Züchtern zu leisten.“

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▶ Teamwork

Milena Ouzunova nennt nicht nur Ergebnisse der Forschung als Höhepunkte aus 28 Jahren bei KWS, sondern auch die Arbeit im Team.

Teamwork auch in der Übergangsphase: Milena und Silke gemeinsam im Meeting

Von der Innovation zur Dienstleistung

Über den Vorteil der Technologie wusste sie aus der Universität: Die Wissenschaftlerin mit einem Master of Science in Chemie promovierte im Bereich Pflanzenzüchtung an der Universität Göttingen. Ihren Doktortitel machte sie im Rahmen eines großen Verbundprojekts zur Qualität von Raps – mit KWS als beteiligtem Unternehmen. Nachdem sie im Anschluss zunächst weiter an der Hochschule geforscht hatte, kam die Anfrage für den neuen Job in Einbeck. „Die Entscheidung war für mich nicht einfach. Ausschlaggebend war letztlich, dass es mich interessiert, Dinge zu Ende zu bringen und den Nutzen einer Technologie zu sehen. Ich mache nach wie vor Forschung, aber angewandte Industrieforschung.“

Ihre Abteilung sieht sie im ganzen Züchtungsprozess zunächst als Innovationstreiber: Sie erforscht neue Technologien mit Blick auf das Potenzial für die Züchtung. „Für uns ist es wichtig, Spielraum zu haben, um Dinge auszuprobieren, auch mal Fehler zu machen und Ideen wieder zu stoppen.“ Gute Ideen gibt das Team nach erfolgreicher Umsetzung direkt weiter: „Die Züchtung ist verantwortlich für die Produktentwicklung, also für ertragreiche, hochqualitative Sorten. Mit den Züchtungstechnologien helfen wir dabei, diesen Prozess zu beschleunigen. Sobald die Innovationen bereit sind für die Anwendung, werden wir zu Dienstleistern, indem wir diese Technologien im Züchtungsprozess anwenden.“

Mit neuen Erkenntnissen und der zugleich steigenden Anzahl an Züchtungsprogrammen wuchs auch das Team immer weiter. „Als ich angefangen habe, gab es sechs Programme beim Mais und eines beim Raps, jetzt haben wir mehr als 25 beim Mais, eines beim Sorghum und zwei beim Raps.“ Im Jahr 2009 hatte KWS außerdem beschlossen, die Sonnenblumenzüchtung neu aufzulegen. „Es war sofort klar, dass wir molekulare Marker brauchen, um das Programm von Anfang an zu beschleunigen.“

Zu den Höhepunkten ihrer Laufbahn zählt Milena die Markertechnologien im Hochdurchsatz.

Expertin: Züchtungstechnologien für Sonnenblumen brachten Silke Wieckhorst (rechts) zu KWS.

Neue Kollegin, jetzt Nachfolgerin

Dafür schuf KWS eine neue Stelle und in diesem Zuge kam Silke Wieckhorst ins Spiel, aufgewachsen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, ausgebildete technische Assistentin in der Pflanzenzüchtung und nach einem Studium der Agrarbiologie gerade als Doktorandin an der TU München. Von einer heutigen KWS Kollegin erfuhr Silke von der neuen beruflichen Perspektive und war sehr interessiert – denn sie beschäftigte sich gerade mit Züchtungstechnologien für Sonnenblumen.

„Silke war extrem motiviert, diesen Bereich voranzutreiben und neue Technologien aus dem Mais auf ihren Fachbereich zu übertragen“, erzählt Milena. Sie sah in Silke schon früh das Potenzial als Nachfolgerin: „Es ist extrem wichtig, potenzielle Führungskräfte frühzeitig zu identifizieren und zu entwickeln.“ Sei es durch Fortbildungen oder das Übertragen von Verantwortung. „Im Endeffekt ist es Learning by Doing.“

Tatsächlich übernahm Silke im Jahr 2014, knapp vier Jahre nach ihrer Einstellung, erste Führungsverantwortung. Noch einmal fünf Jahre später leitete Silke die erste Arbeitsgruppe mit mehreren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern: Züchtungstechnologien Sonnenblume und Sorghum, Inducer- und Trait-Integration-Forschung. Und nun, erneut fünf Jahre später, hat sie im Oktober die Nachfolge von Milena angetreten. Aus einer Gruppe werden sieben Gruppen, die sie fortan führen wird; die ­Bereiche ­umfassen nun beispielsweise Markeranwendungen, quantitative Genetik, Züchtungsinformatik, Native Traits und Genomforschung. Zum neuen Geschäftsjahr startete die mehrwöchige Übergabe. „Milena hat mich sehr unterstützt“, erinnert sich Silke.

„Ich bin stolz auf die Meilensteine und auf mein Team.“

Milena Ouzunova

Die Bedeutung des Teamgedankens

Natürlich konnte Milena ihr Wissen aus 28 Jahren In­dus­trie­for­schung und als Honorarprofessorin seit 2020 an der TU München nicht binnen weniger Wochen weitergeben. Aber sie muss es auch nicht. „Es ist ein kontinuierlicher Prozess. Silke und ich arbeiten jetzt seit vierzehn Jahren zusammen. Durch das kollegiale Miteinander und die offene Kommunikation haben wir alle immer wechselseitig voneinander gelernt auch ich, ob von Züchterinnen und Züchtern, anderen alten und neuen Kolleginnen und Kollegen oder bei Kooperationen mit Universitäten, über die wir nah dran sind an neuen Entwicklungen.“

Und so verließ Milena das Unternehmen im Oktober mit einem weinenden und einem lachenden Auge, aber überzeugt von der Expertise des Teams. Sie freut sich jetzt auf Zeit für Familie und Freunde in Deutschland und ihrem Heimatland Bulgarien. Aber: „Einmal Forscherin, immer Forscherin einige Dinge werde ich in kleinem Umfang weitermachen.“ Ihre Lehrtätigkeit an der TU München gehört dazu, und projektbezogen werde sie auch für KWS aktiv bleiben und ihren Kolleginnen und Kollegen von Zeit zu Zeit wieder begegnen. Diese fehlen natürlich auch in ihrem Karrierefazit nicht: „Wenn ich zurückblicke, bin ich stolz auf die Meilensteine aber am allermeisten auf mein Team.“ |


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