Forschung

Predictive Breeding

Projekt RapidGS

Züchtung im
Eildurchgang

Valentin Wimmer leitet in England das Projekt RapidGS, das Wintergerste mit höheren Erträgen in schnellerer Zeit hervorbringen soll: per statistischem Modell, Computerleistung – und Daten aus der klassischen Züchtung.

Züchtung per Datenanalyse: Rowena Haardt, Gabriella Everett und Valentin Wimmer (von links) mit Wintergerste, die sich jetzt im Feld beweisen muss

In mehreren Hundert schwarzen Blumentöpfen züchtet Valentin Wimmer mit seinem Team die Wintergerste der Zukunft. Nach der ersten Kreuzung und Aussaat durchbricht das Getreide die Erde und erblickt das Licht der Welt: ein Gewächshaus an unserem englischen Standort in Thriplow nahe Cambridge.

Noch bevor die Pflänzchen ihre Ähren schieben, entnimmt Teammitglied Rowena Haardt Blattproben und bringt sie zur Analyse des Erbguts ins Labor. Auf Grundlage dieser Genomanalyse erfolgt die nächste Kreuzung – nur sechs Monate nach der Aussaat der ersten Wintergerste. „Die Zeit, die wir noch zum Züchten brauchen, ist die Zeit, die eine Pflanze zum Wachsen benötigt“, sagt unser Pflanzenzüchter und Datenanalyst Valentin Wimmer, der seinen Arbeitsplatz seit Januar für sieben Monate nach England verlegt hat.

Predictive Breeding: Mit Daten in die Zukunft blicken

Um Züchtungsentscheidungen so schnell treffen zu können, nutzt das Team ein statistisches Modell, um Voraussagen zu treffen. Predictive Breeding heißt das Vorgehen. Für das Projekt RapidGS kommen dafür Daten klassischer Feldversuche aus den Jahren 2016 bis 2019 zum Einsatz. Dabei erfassten Kolleginnen in England für mehrere Tausend Individuen den Ertrag als phänotypisches, also messbares Merkmal, sowie molekulare Markerprofile, also genomische Pflanzenmerkmale. „Diese Daten stehen uns heute als Trainingsset zur Verfügung.“ Simulationen haben gezeigt, dass bekannte Zusammenhänge zwischen dem Markerprofil und dem Phänotyp zur Vorhersage neuer genetischer Kombinationen geeignet sind, zumindest für zwei bis drei Zuchtzyklen.

In einer rechenintensiven Arbeit vergleicht Valentin Wimmer jetzt also die Daten der Feldversuche der Vorjahre mit den Markerprofilen aus den entnommenen Blattproben und pro­gnos­ti­ziert ihren Ertrag. „Wir entscheiden allein auf dieser Vorhersage, welche Pflanzen wir auswählen.“ Gekreuzt werden nur jene Nachkommen, die gute Aussichten auf mehr Ertrag versprechen. Beteiligt sind an diesem ganzen Prozess neben Valentin Wimmer drei Kolleginnen: Rowena Haardt (Kreuzung und Genotypisierung), Parastoo Hoseinzadeh (Markeranalysen) und Gabriella Everett (Populationsentwicklung und Phänotypisierung).

RapidGS ist ein standortübergreifendes Projekt: Aus Einbeck steuert Parastoo Hoseinzadeh die Markeranalysen bei

Prognose: Ertragsplus nach einem Jahr

Nach mittlerweile zwei Zyklen liegen vielversprechende Zahlen vor: Dem statistischen Modell zufolge steigerte Predictive Breeding den Ertrag der gekreuzten Wintergerste binnen eines Jahres um einige Prozent im Vergleich zur klassischen Züchtung. Hier dauert ein Zyklus bis zur nächsten Kreuzung in der Regel fünf Jahre und soll ein bis zwei Prozent mehr Ertrag pro Jahr bringen.

Bewährungsprobe auf dem Feld

Allerdings muss die Wintergerste aus dem Gewächshaus in Thrip­low noch ein Validierungsexperiment bestehen: Das Team hat eine Auswahl der Pflanzen des Projekts ­RapidGS selektiert, die ab Januar 2021 im Feld weiterwächst und im Sommer 2021 geerntet wird. „Mit diesem Saatgut gehen wir dann im Herbst 2021 in klassische Versuche und ernten im Juli 2022. Zu dem Zeitpunkt – nachdem wir schon fünfmal weiter gekreuzt haben – wissen wir dann zum ersten Mal, wie gut die Pflanzen aus dem Januar 2020 wirklich sind.“

Mit dem Pilotprojekt will das Team herausfinden, welche Datenmenge für eine Zuchtentscheidung notwendig ist und wie gut Züchtung mit einer kleinen Pflanze funktioniert, die noch nicht einmal reinerbig ist. Aktuell fokussieren sich die Forscherinnen im Wesentlichen auf den Ertrag der Futtergerste. Vorausschauendes Züchten resistenter und toleranter Sorten ist aber ebenfalls möglich, entsprechende Daten vorausgesetzt. Derzeit baut das Team eine zusätzliche Trainingspopulation mit Fokus auf biotische Stressmerkmale auf.

Dies zeigt, dass „klassische Feldversuche auch in Zukunft noch das wichtigste Handwerkszeug eines Züchters bleiben“. Der Fokus werde sich nur verschieben, mutmaßt Valentin Wimmer: „Der Zweck von Feldversuchen war bisher, Zuchtentscheidungen zu treffen. Zukünftig werden wir Feldversuche immer häufiger nutzen, um Trainingspopulationen zu erstellen.“

◼ Einblicke ins Gewächshaus

Getopfte Pflanzen bei der Anzucht im Gewächshaus

Getopfte Pflanze

Kastration einer Ähre

Mehrere Pflanzen bei der Kreuzung

Nach Genotypisierung und Selektion dieser gekreuzten und ausgesäten Körner kommen die ausgewählten Pflanzen in größere Töpfe

Demonstrationsfeld mit der Sorte KWS Tardis, der wichtigsten Komponente des RapidGS-Projekts

Zweizeilige Futtergerste im KWS Demonstrationsfeld

In klassischen Feldversuchen zur fertigen Sorte

Und auch zur Vollendung einer Sorte wird es Feldversuche weiterhin brauchen: „Mit Predictive Breeding schaffen wir es, den Zyklus für die Kreuzungen zur Populationsverbesserung zu beschleunigen. Wir können damit schneller neue genetische Kombinationen generieren und evaluieren. Saatgut zu vermehren und reinerbige Stämme zu erstellen folgt aber der klassischen Züchtung.“

Auch für die Wintergerste in Thrip­low ist dies das Ziel: „Wir beabsichtigen, idealerweise eine Sorte für KWS zu bekommen oder einen interessanten Kreuzungspartner für die klassische Züchtung.“ |

Kontakt:
Valentin Wimmer
valentin.wimmer@kws.com

Info

Pilotprojekte auch bei Zuckerrübe und Mais

Die Getreidezüchterinnen begannen im Sommer 2018 mit der Planung des Pilotprojekts RapidGS (kurz für Rapid Genomic Selection, schnelle genomische Selektion). Ein vergleichbares Pilotprojekt starteten kurz darauf die Kolleginnen in der Zuckerrüben-, Mais- und Roggenzüchtung. Auch sie testen das vorausschauende Züchten mit Datenmodellen. Über die Fruchtarten hinweg tauschen sich die Forschungsgruppen aktiv aus. |


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