Neuer Standort
Öko fruchtet!
Seit nunmehr 18 Jahren bedienen wir Landwirtinnen mit Sorten für die rauen Bedingungen des Ökolandbaus. Auf unserem Betrieb in Wiebrechtshausen ist nun der neue KWS Ökohauptstandort entstanden – mit verstärktem Personal und dem Fokus auf neuen Sorten.
Der Anteil der Fläche, auf der ökologisch gewirtschaftet wird, steigt seit Jahren: Von 2004 bis 2019 hat er sich in Deutschland von 770.000 auf 1,6 Millionen Hektar mehr als verdoppelt. Inzwischen haben sich 12,9 Prozent der deutschen Betriebe für ein ökologisches Anbausystem entschieden (2004 waren es 4,1 Prozent) und bewirtschaften 9,7 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche.
Da sich sowohl Deutschland als auch die Europäische Union das Ziel gesetzt haben, den Ökoanteil bis 2030 auf zwanzig beziehungsweise 25 Prozent zu steigern, wird sich dieser Trend weiter fortsetzen. Auch die rasante Entwicklung beim Umsatz der Biobranche zeigt, dass es nicht nur ein Umdenken in der Politik, sondern auch bei der Verbraucherin gibt. Weltweit wurden 2018 erstmals über hundert Milliarden US-Dollar durch Biolebensmittel umgesetzt.
Anforderungen an Sorten für den Ökolandbau
Die ökologische Wirtschaftsweise bringt jedoch Herausforderungen mit sich. Auf chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel wird beispielsweise verzichtet, wodurch andere Anforderungen an Sorten gestellt werden: Um mit Beikräutern konkurrieren zu können, sollten Sorten für den Ökolandbau eine rasche Jugendentwicklung und einen hohen Bodenbedeckungsgrad aufweisen. Auch die Resistenz und Toleranz gegen biotischen und abiotischen Stress müssen im Vergleich zu Sorten für den konventionellen Landbau bei den ökologischen Sorten noch ausgeprägter sein. So sind die Nährstoffe aus organischen Düngern wie Mist oder Gülle nicht so schnell verfügbar, und es kann zu Mangelerscheinungen kommen, die durch eine bessere Nutzungseffizienz kompensiert werden müssen.
Neben solchen allgemeinen Anforderungen ergeben sich bei den einzelnen Kulturarten auch spezifische Merkmale. Beim Weizen sind beispielsweise hochwüchsige Sorten mit Grannen (Härchen) an der Ähre und hohen Eiweiß- und Feuchtklebergehalten gefragt, weil die durchschnittlich geringeren Erträge im Ökolandbau so durch höhere Qualitäten kompensiert werden können.
◼ Impressionen aus dem Molkehaus
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der „Wertprüfung Ökologischer Landbau“ wider, die das Bundessortenamt 2012 eingeführt hat. Seither können beim Getreide Sortenkandidatinnen sowohl unter konventionellen als auch unter ökologischen Anbaubedingungen geprüft werden.
Für die „Wertprüfung Ökologischer Landbau“ wird ungebeiztes Saatgut verwendet, und die Versuche werden auf langjährig ökologisch bewirtschafteten Flächen angelegt. Es wird dabei sowohl auf chemische Behandlungen als auch auf synthetische Dünger verzichtet. Zusätzlich werden der Bodenbedeckungsgrad zum Zeitpunkt der Bestockung (Entwicklung von Seitentrieben) sowie die Massebildung während der Streckungsphase (Schossen) bonitiert.
„Beim Weizen wird es immer schwieriger, Sorten in die Ökolandessortenversuche zu bekommen, die nicht die ökologische Wertprüfung durchlaufen haben“, sagt Bettina Jorek aus dem Produktmanagement unserer Sub-Business Unit Special Crops and Organic Seeds. „Um eine Sorte vermarkten zu können, ist dies aber unerlässlich – Landwirtinnen verlassen sich stark auf die offiziellen Prüfergebnisse.“
„Organic Variety Development“ in Wiebrechtshausen
Um eine gute Position im wachsenden Markt von Sorten für den ökologischen Landbau zu ergattern, hat die KWS zum 1. Juni die Stelle des Organic Variety Developers geschaffen und mit Jenny Matthiesen besetzt. Sie hat langjährige Erfahrung beim Bundessortenamt und bringt neben Know-how ein großes Netzwerk mit. Die Aufgabe wird sein, in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Züchterinnen aus deren Züchtungsprogrammen die besten Ökokandidatinnen in allen KWS Kulturarten (Getreide, Mais und Zuckerrübe) für die internationalen Märkte zu selektieren und die ökologische Sortenentwicklung voranzutreiben.
Auch der Umbau des ehemaligen Molkehauses am Klostergut Wiebrechtshausen wird die ökologische Sortenentwicklung stärken: Durch die räumliche Nähe zu dem KWS eigenen landwirtschaftlichen Betrieb wird ein noch besserer Erfahrungsaustausch möglich, und die Versuchsflächen können noch intensiver betreut werden.
Neben der neuen Stelle des Organic Variety Developers werden auch das Ökoprodukt- und das Portfoliomanagement von Einbeck nach Wiebrechtshausen umziehen. Insgesamt können zukünftig bis zu 15 Personen der Sub-BU Special Crops and Organic Seeds im Molkehaus arbeiten.
Neues Konzept
Auch das Konzept für Ökosorten ändert sich. Bisher wurden Stämme, die für die Wertprüfung beim Bundessortenamt angemeldet wurden, auch am Ökostandort Wiebrechtshausen und in Seligenstadt auf Ökoeignung getestet. Zukünftig sollen aus der großen Vielfalt, die es in all unseren Züchtungsprogrammen gibt, die richtigen Sortenkandidatinnen spezifisch für den Ökolandbau selektiert werden. Dafür werden in fortgeschrittenen Generationen zusätzliche Merkmale bonitiert und aussichtsreiche Kandidatinnen unter mehreren ökologischen Umweltbedingungen getestet. So kann gewährleistet werden, dass auch tatsächlich das Optimum aus dem genetischen Potenzial herausgeholt wird, das in den Züchtungsprogrammen steckt.
Von diesen zusätzlichen Anstrengungen profitieren auch die Züchterinnen, da sie noch mehr Informationen über die Genetik erhalten. Auch die konventionelle Landwirtschaft könnte durch den verstärkten Fokus auf Ökomerkmale profitieren: Weil immer mehr Wirkstoffe wegfallen und sich die Düngeverordnung verschärft, steigt der Druck auf konventionell wirtschaftende Betriebe.
Die KWS stellt also alle Weichen, um ihre Vorreiterrolle bei der Entwicklung von Sorten für den Ökolandbau zu verteidigen und auszubauen. Das Fazit aller Anstrengungen hinsichtlich unserer Ökoaktivitäten lässt sich einfach zusammenfassen: Öko fruchtet! |
Kontakt:
Jenny Matthiesen
jenny.matthiesen@kws.com
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