Forschung

Zuckerrüben

Data Plant

Dem Pilz auf der Spur

Der Pilz Cercospora verursacht Jahr für Jahr Einbußen bei der Zuckerrübenernte. KWS will als Kooperationspartner im Forschungsprojekt „Data Plant“ dabei helfen, die Pilzerkrankung frühzeitig zu erkennen.

Ein Kasten hängt an einer blauen, dürren Stahlkonstruktion auf Gummirädern und filmt Zuckerrüben. Eine andere Apparatur steht auf einem Gefährt in der Größe eines Servierwagens und richtet einen Laser auf die Blätter. Diese Aufbauten auf einem Feld nahe dem bayerischen Ort Plattling stehen für die Suche nach der Lösung eines folgenschweren Problems: die Infektion von Zuckerrübenblättern mit der Blattfleckenkrankheit Cercospora.

Erkennen und bekämpfen Landwirte diesen Pilz nicht früh genug, droht schnell der Verlust eines Großteils der Zuckerrüben auf einem Feld, sagt Physikerin Dr. Ulrike Willer von der TU Clausthal. Um dies zu verhindern, haben sich mehrere Unternehmen und Forschungseinrichtungen (siehe Infokasten) zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist, „eine große Zahl Pflanzen auf einem Feld automatisch zu testen, so den Befall frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren“, wie Projektleiter und Physiker Christoph Bauer von KWS erklärt.

Mithilfe eines Lasers und einer Wärmebildkamera kann das System der TU Clausthal frühzeitig erkennen, ob die Blätter einer Zuckerrübe mit Cercospora befallen sind

Das Forschungszentrum Jülich nutzt ein System, das ein Leuchten durch zurückgestrahlte Energie während der Photosynthese erkennt. Die Vermutung: Blätter, die mit Cercospora befallen sind, strahlen Energie anders zurück als gesunde Pflanzen

Ideale schlechte Bedingungen für die Forschung: Die Rüben auf dem Versuchsfeld von KWS im bayerischen Plattling bei Regensburg zeigen deutliche Spuren des Schadpilzes Cercospora

Am Computer können die Forscher an den Aufnahmen der Wärmebildkamera erkennen, wo sich die Blattfleckenkrankheit ausgebreitet hat. Die TU Dortmund leitet daraus relevante Daten ab, um zukünftig Prognosen zum Cercospora-Befall anstellen zu können

Ludmilla Dahl von KWS steuert ihre Erfahrungen als Züchterin zum Projekt „DataPlant“ bei. Neben ihr: KWS Regionalbetreuer Anton Nachreichen

Das Ziel: gesunde Zuckerrüben und eine ertragreiche Ernte unter wenig Einsatz von Spritzmitteln

Freiluft-Forschungslabor: Die Systeme aus Jülich und Clausthal, eine Wetterstation, eine Drohne mit Kamera und Züchter mit ihrer jahrelangen Erfahrung steuern gemeinsame Daten zum „DataPlant“-Projekt bei

Verfahren der TU Clausthal

Die TU Clausthal setzt auf den Einsatz eines speziellen Lasers mit einem für das Auge nicht sichtbaren Infrarotstrahl. Ein automatisiertes Bewertungsverfahren soll die Früherkennung von Cercospora ermöglichen. Die Vorgehensweise:

  • Mit dem Laser werden die Blätter der Zuckerrüben angeleuchtet. „Bei bestimmten Wellenlängen im mittleren Infrarotbereich werden die befallenen Blattareale anders erwärmt als die gesunden“, erklärt Willer.
  • Eine Infrarotkamera filmt das beleuchtete Blatt der Pflanze, misst auf diesem Weg die Temperatur und speichert die Werte.
  • Am Ende soll der Befall einer Pflanze durch die Wärmebildkamera sichtbar werden – bevor das menschliche Auge die Infektion erkennen kann.

Dr. Ulrike Willer greift für Tests im Labor der TU Clausthal auf befallene Zuckerrübenblätter zurück

Unter Laborbedingungen lassen sich Laser und Wärmebildkamera einfacher einsetzen als bei Tageslicht. Der Grund: Bei Sonnenschein in freier Natur sind die Temperaturdifferenzen nicht mehr so beständig und deutlich wie im Labor

Die Analysen im Labor liefern eine gute Ausgangsposition für die Forschung in freier Natur

Physikerin Dr. Ulrike Willer (TU Clausthal): „Jeder Projektpartner liefert mit seinen Messungen ein Puzzlestück, das sich am Ende zu einem Ganzen fügen soll“

Verfahren des Forschungszentrums Jülich

Das Forschungszentrum Jülich verfolgt einen anderen Ansatz: Dessen System LIFT rückt die Fotosynthese der Blätter in den Mittelpunkt, genauer: die sogenannte Blattfluoreszenz, erklärt der Jülicher Phänotypisierungsexperte Dr. Onno Muller:

  • Die Fotosynthese, also die Umwandlung der Sonnenlichtenergie und des Gases Kohlendioxid in chemische Energie in Form von Zucker, beginnt in der Pflanze, indem der Pflanzenfarbstoff Chlorophyll Licht einfängt.
  • Währenddessen wird ein Teil der von der Pflanze eingefangenen Energie wieder freigegeben und zurückgestrahlt. Dieses „Leuchten“ nennt sich Chlorophyllfluoreszenz.
  • Die Forscher aus Jülich zeichnen das Leuchten mit dem Lift-Sensor auf. Die Annahme: Ist ein Bereich des Blattes mit Cercospora infiziert, dann beeinflusst das die Fotosynthese in diesem Areal. Da die Chlorophyllfluoreszenz eng mit der Effizienz der Fotosynthese verbunden ist, könnte ein verändertes Leuchten auf den betroffenen Blattbereichen auf den Schadpilz hinweisen.

Informatiker schulen künstliche Intelligenz

Während dieser ersten Messkampagne des Projekts auf rund einem Hektar Feld sammeln die Wissenschaftler beider Institutionen mit ihren zwei Versuchsaufbauten rund zwei Terabyte Daten. Hinzu kommen Wetterdaten, die für das Wachstum wichtig sind: Feuchtigkeit, Wind, Windrichtung, Niederschläge, Luftdruck und Temperatur. All diese Datensätze wertet die TU Dortmund aus und verarbeitet sie.

Im Fall der Clausthaler Messungen schauen die Dortmunder Informatiker zum Beispiel, bei welcher Wellenlänge des Lasers die an der kranken Pflanze gemessene Temperaturdifferenz am prägnantesten ist. Diesen Unterschied geben sie als Hinweis für eine Erkrankung an eine Computersoftware weiter, um ihr beizubringen, eine kranke Pflanze zu erkennen. Diesen Schritt wiederholen sie immer wieder und schulen so den Algorithmus der künstlichen Intelligenz, damit er später eigenständig feststellen kann, welche Pflanze befallen ist und welche nicht.

Wie sich die Daten der Wissenschaftler aus Clausthal und Jülich bestmöglich kombinieren lassen, zeigt sich ebenfalls in den anstehenden Auswertungen.

▶ Das „DataPlant“-Projekt in Aktion: Mit KWS Züchtungsexpertin Ludmilla Dahl auf dem Feld

Auch auf andere Blattkrankheiten anwendbar

„Dieses Vorgehen ist nicht auf Cercospora beschränkt“, sagt Projektleiter Christoph Bauer. „Wir gehen davon aus, dass sich mit diesem Prinzip viele verschiedene Blattkrankheiten frühzeitig und automatisch nachweisen lassen. Jetzt legen wir die Grundlagen dafür.“

Die Kombination aus neuartiger Sensorik, konventioneller Bildanalyse und maschinellem Lernen ist bei KWS schon längst nicht mehr reine Forschungsarbeit. Diese Technologien werden bereits im Umfeld von Züchtung und Forschung angewendet. Dem Landwirt werden diese Entwicklungen nicht nur eine schnellere Verfügbarkeit von Sorten ermöglichen. Auch den Gesundheitszustand seiner Pflanzen wird er dann schneller erfassen können. |

Kontakt:
Christoph Bauer
christoph.bauer@kws.com

Kooperation

Die Projektpartner

Das Projekt DataPlant wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Ausschlaggebend dafür ist, dass hinter dem Projekt ein Konsortium aus führenden Einrichtungen und Firmen aus Deutschland steht, die das komplexe Themenfeld der „Digitalisierung in der Landwirtschaft“ bearbeiten. Vertreten sind KWS, Physiker der TU Clausthal, Phänotypisierungsexperten des Forschungszentrums Jülich und Informatiker der TU Dortmund. Zudem sind die Firmen Infratec und MG Optical Solutions für Sensor- und Messtechnik Teil des Verbunds, ebenso wie Experten um BASF Digital Farming. |


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