Strategie

Gemüse

Neue Business Unit

Unser Mann fürs Gemüse

Paul Degreef arbeitet seit 33 Jahren erfolgreich in der Gemüsezüchtung. Für das neue Geschäftsfeld hat der Niederländer einen langfristigen Plan.

Im Akkord gehen die silbernen Waagen auf und nieder. Melonen, Tomaten, Artischocken und Paprika – alle möglichen Arten von Gemüse wiegen die Händler auf dem Wochenmarkt in Roermond in der niederländischen Provinz Limburg für ihre Kunden. Auch Paul Degreef und seine Frau Mariette schlendern zwischen den Ständen umher, nur wenige Hundert Meter vom Ufer der Maas entfernt.

Für Paul Degreef ist ein solcher Marktbesuch besonders interessant – denn hier kann er präzise beobachten, wie sich Angebot und Kundenwünsche entwickeln. Und worauf die Käufer Wert legen.

Der studierte Pflanzenzüchter ist seit 33 Jahren in der Gemüsebranche tätig. Er hat als Führungskraft für große Konzerne wie Bayer und Sakata gearbeitet und weltweit Teams dirigiert, die Hunderte von Gemüsesorten für Märkte in Asien, Nordamerika und Europa entwickelten, ob in Indien, Mexiko, Korea oder Italien. Er weiß: Die Frage, welche von Hunderten Tomatensorten sie als „normal“ empfinden, beantworten Menschen je nach Region oder persönlichem Geschmack grundverschieden. Entsprechend nah müssen die Züchter am Markt sein – und eben auch immer wieder auf dem Marktplatz.

▶ Paul Degreef über seine Leidenschaft für Gemüse:

Plan: Fünf Prozent Marktanteil

Seit dem Sommer 2019 setzt der 57-jährige Niederländer seine Erfahrung für KWS ein, als Leiter des neuen Geschäftsfelds Gemüsesaatgut. „Das ist ein Langzeitprojekt“, sagt Paul Degreef, während er eine Paprika durch seine Hände gleiten lässt und ganz leicht prüfend auf ihre Schale drückt. „Aber wir haben einen guten Plan und gehen Schritt für Schritt voran.“ Fünf Milliarden Euro umfasst das Volumen des weltweiten Gemüsesaatgutmarktes. KWS will davon in den kommenden Jahren fünf Prozent erobern.

Paul Degreef weiß, wie man ein solches Projekt angeht. Der Vater von zwei Töchtern war in seiner Karriere schon für ähnliche Vorhaben verantwortlich und hat sie erfolgreich gemeistert.

Investition in einen profitablen Markt

Warum der Gemüsemarkt so attraktiv ist? „Gesunde Ernährung und ein naturnaher Lebensstil werden für viele Menschen immer wichtiger. Gemüse ist dabei ein wesentlicher Faktor.“ Und ein wirtschaftlich potenter dazu: KWS investiere in einen profitablen, langfristig wachsenden Markt, sagt Paul Degreef.

Bis es so weit ist, wird aber noch Zeit vergehen: Mindestens sieben Jahre werde es dauern, bis eigene Produktlinien am Markt verfügbar sein könnten, rechnet Paul Degreef vor.

Das Gemüseanbaugebiet bei Venlo (Niederlande) steht sinnbildlich für das große Potenzial der Gemüsezüchtung

Dieser Anbauer ist auf Paprika spezialisiert – ein Gemüse, das auch KWS in sein Portfolio aufnehmen will

Einblick in die Ausmaße eines Paprika-Gewächshauses

Zukäufe, Lizenzen und Züchtung

Zunächst sei es daher wichtig, die Grundlagen aufzubauen: „Wir ziehen das alles beinahe wie am Reißbrett auf. In einem ersten Schritt suchen und rekrutieren wir gerade geeignetes Personal für Zuchtstationen, die wir weltweit aufbauen.“

Darüber hinaus seien Zukäufe geplant, um möglichst viele Gemüsebereiche abzudecken. Im Juli etwa sind 80 Mitarbeiter von Pop Vriend Seeds Teil der KWS Familie geworden. Das Traditionsunternehmen ist in Andijk in der Provinz Nordholland beheimatet. Mit dem Weltmarktführer im Spinatsaatgut verfügt KWS nun auf einen Schlag über ein vielversprechendes Portfolio mit zahlreichen Gemüsekulturarten. Der größte Zukauf in der KWS Geschichte gleicht einem Sprungbrett in ein neues Segment. Weitere strategische Zukäufe sollen folgen.

Schließlich, sagt Paul Degreef, wolle man mit Lizenzsorten zügig beginnen, sich am Markt einen Namen zu machen: „Immer mehr eigene Produktlinien sollen über die Jahre hinzukommen“. So will KWS sich auch in der Gemüsebranche einen Namen als innovativer und qualitativ hochwertiger Anbieter machen. Paul Degreef und sein Team arbeiten von Wageningen aus, einer traditionell von Gemüseanbau und -forschung geprägten Region. Die lokale Universität erhielt jüngst eine Auszeichnung als weltweit beste Agrar-Uni.

„Züchten ist eine Kombination aus Wissenschaft und Kunst.

Unterschied zwischen Getreide- und Gemüsezüchtung

In der künftigen Arbeit für die eigenen KWS Gemüselinien seien zwar auch Resistenzen und ähnliche Qualitäten des Saatguts zentral. Aber Farbe, Haptik, Geruch und viele weitere Eigenschaften des Endprodukts spielen eine große Rolle. „Der Ertrag ist nicht das entscheidende Kriterium beim Gemüseanbau“, sagt Paul Degreef. „Im Tomatengewächshaus sieht der Endkunde das Ergebnis unserer Züchtungen sofort. In einem Weizenfeld ist das nicht der Fall.“ Klar ist: Zuckerrübe, Mais und Getreide unterscheiden sich deutlich von der Züchtung von Gemüsesorten.

Paul Degreef umschreibt die komplexen Anforderungen so: „Gemüse zu züchten ist wie eine Kombination aus Wissenschaft und Kunst“. Aber die Mühe lohnt sich: Experten gehen davon aus, dass sich der Gemüsemarkt in den nächsten zehn Jahren verdoppeln wird. Und KWS will dabei sein – mit Spinat, Paprika, Tomaten, Gurken und Melonen im künftigen Portfolio.

Paul Degreef auf dem Weg zum Wochenmarkt in Roermond in der Provinz Limburg an der deutschen Grenze

Geschmäcker ändern sich. Züchter sind daher nah am Markt und beobachten, wie sich Angebot und Kundenwünsche entwickeln

Auch Wassermelonen haben ein großes Wachstumspotenzial auf dem Gemüsemarkt

Fachmann bei der Geschmacksprobe

Paprika: Großer, aber lohnenswerter Aufwand

Im Anbaugebiet im Umland von Venlo lässt sich exemplarisch betrachten, wie fragil das Produkt Gemüse ist – aber eben auch, wie viel Potenzial es besitzt. Zu Tausenden stehen Paprikapflanzen in kleinen mit Substrat gefüllten Töpfen. Paul Degreef nimmt eine noch am Trieb hängende Paprika in die Hand. Dunkelrot, knackig und glänzend sieht sie aus.

Auf ihrer Rückseite allerdings hat sie eine winzige Delle, kaum wahrnehmbar. „Die wird in zwei Tagen verdorben sein“, sagt der Niederländer. „Vermutlich ein Problem mit der Wasserversorgung. Paprika sind unglaublich sensibel.“

Es gehe bei Paprika immer um Balance, erklärt der 57-Jährige, der neben Niederländisch auch Englisch, Deutsch und Französisch spricht: Licht, Luft, Wasser und Düngemittel müssten in einem ganz bestimmten Maß zugeführt werden. Alle zwei Tage überprüfen Mitarbeiter des Paprikaproduzenten die gesamte Plantage: Sind die Blätter noch gesund? Entwickeln sich die Früchte wie gewünscht?

Der Aufwand ist immens, lohnt sich aber. Wenn alles gut geht, werden in dem Betrieb die Paprikapflanzen neun Monate lang geerntet. Direkt nach der täglichen Ernte werden sie versteigert und landen in Supermärkten und auf Marktständen, auch in Roermond. Womöglich kann Familie Degreef dort bald auch Sorten von KWS einkaufen. |

Kontakt:
Paul Degreef
paul.degreef@kws.com


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