Künstliche Intelligenz
Feld der Zukunft
Beim Züchten von Saatgut gewinnt künstliche Intelligenz an Bedeutung. Mit einem neuen Roboter klärt KWS in den USA, wie sich Pflanzenmerkmale automatisiert und präzise erfassen lassen. Das System macht Züchter nicht überflüssig, sondern unterstützt ihre Arbeit.
Nur ein dünner Mast mit einer schwarzen Röhre wackelt zwischen den Weizenähren umher; mehr ist von Terra Sentia vom Rand des Feldes aus nicht zu sehen. Der kniehohe Roboter fährt elektrisch angetrieben und per GPS gesteuert durch ein akkurat angelegtes Versuchsfeld bei Champaign nahe Chicago im US-Bundesstaat Illinois.
Jana Murche, Leiterin der nordamerikanischen Weizenzüchtung bei KWS, ist ebenfalls im Feld und sammelt händisch phänotypische Merkmale. Sie kann aber immer nur einen kleinen Teil einer Parzelle sichten. „Besser wäre es, die Pflanzen fortlaufend im Auge zu haben und zu sehen, wie sie sich im Feld bewähren“, sagt Jia Yan, Projektleiterin für digitale Innovationen bei KWS in den USA.
▶ Terra Sentia im Einsatz
Roboter macht Aufnahmen vom Feld
Genau an dieser Stelle unterstützt der Roboter die Züchter bei ihrer Arbeit. „Der Roboter hat mehrere Sensoren und Kameras an Bord, um Pflanzen im Feld auszumessen und abzubilden“, erklärt Jia Yan. Die Maschine speichert außerdem exakt, von welchem Ort die Aufnahmen stammen und ob die Pflanzen bereits blühen.
Ziel ist es, dass Terra Sentia täglich über das Feld fährt, um noch mehr Daten zu liefern. Wenn nötig auch zweimal. Oder dreimal.
Auch vervielfältigen lässt sich der Roboter vergleichsweise einfach. Das Vorgängermodell kam sogar aus einem 3D-Drucker.
▶ Animation: So funktioniert Terra Sentia
Die Technik „wird uns fundiertere Auswahlentscheidungen ermöglichen“, sagt Weizenzüchter Mark Christopher. „Insbesondere in unserer Zuchtgärtnerei mit Hunderttausenden einzelnen Reihen, in denen es uns bisher einfach nicht möglich war, diese Daten zu erheben.“
Herzstück: Software für künstliche Intelligenz
Herzstück des Systems ist aber gar nicht der vierrädrige Roboter, sondern eine Software mit künstlicher Intelligenz auf den Rechnern von KWS und dem Start-up Earth Sense, das den Roboter entwickelt hat.
Die Software wertet die Aufnahmen des Roboters aus und erkennt darauf, was die Züchter interessiert. Zum Beispiel, ob eine Ähre an einem Halm bereits voll ausgebildet oder teilweise noch von schützenden Blättern umgeben ist.
▶ Interview mit Earth-Sense-Mitbegründer Girish Chowdhary: Wie die Entwickler den Roboter für die Landwirtschaft und künstliche Intelligenz optimieren
Damit das gelingt, muss die Software zunächst trainiert werden. Sie muss also lernen wie ein Mensch. Weizenzüchterinnen und -züchter wie Jana Murche und Mark Christopher sichten dafür die Bilder, die der Roboter aufgenommen hat.
Und dann „füttern“ Datenwissenschaftler die Software mit den Informationen der Züchter. Hat die künstliche Intelligenz durch Training genug Wissen erlangt, gleicht sie nun neue Bilder damit ab. Sie bewertet also die Aufnahmen der Pflanzen, ohne dass ein Mensch noch helfen muss.
Die Ergebnisse in der ersten Version des Systems zeigen, dass der Algorithmus schon jetzt präzise arbeitet: Die künstliche Intelligenz erkennt vollständige Ähren mit einer Sicherheit von 96 Prozent. Ob eine Ähre vollständig mit Grannen besetzt ist, lässt sich zu 92 Prozent sicher sagen.
Der Mensch bleibt entscheidend
Das Beispiel zeigt aber auch: Geht es nicht mehr um Weizen, sondern etwa um Zuckerrüben, muss der Mensch der Maschine wieder die entscheidenden Unterschiede beibringen. „Der Roboter ist sehr gut darin, objektive und qualitativ hochwertige spezifische Merkmalsdaten zu liefern“, so Weizenzüchter Mark Christopher. „Aber Menschen sind nötig, um individuelle Entscheidungen zur Weiterentwicklung zu treffen.“
Durch die Kombination menschlicher und künstlicher Intelligenz werde der Prozess des Züchtens jedoch schneller und zuverlässiger, ergänzt Jia Yan. Die Arbeit mit künstlicher Intelligenz und autonomen Robotern ist daher ein wichtiger Teil der Forschungsstrategie von KWS.
Noch sei das System zwar nicht kommerziell im Einsatz. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann und wie uns der Roboter und die künstliche Intelligenz beim Züchten unterstützen werden.“ |
Kontakt:
Jia Yan
jia.yan@kws.com
Der Digital Innovation Accelerator (DIA) ist ein kleines, agiles Team mit Sitz in St. Louis, Einbeck, Boston und Berlin. Die Gruppe verfolgt leidenschaftlich neue digitale Technologien und deren Versprechen für die Landwirtschaft. Das Team hat 2018 den Betrieb aufgenommen, nachdem es ein von KWS Finanzvorstand Eva Kienle in Auftrag gegebenes Projekt mit dem Namen Project D auf die Beine gestellt hatte. Weitere Informationen finden Sie auf der Intranetseite des DIA.
Phänotypisierung: Blick auf die Pflanze
Geht es um Wohl und Wachstum einer Pflanze, müssen Züchter sie immer wieder begutachten – und zwar draußen auf dem Feld. Also dort, wo sie mit ihrer genetischen Ausstattung, ihrem Genotyp, unter Einflüssen der Umwelt wächst.
Dafür ist viel Zeit notwendig, aber auch viel züchterische Erfahrung, um die vorhandene oder gewünschte Merkmalausprägung der Pflanze – ihren Phänotyp – zu beurteilen und entsprechend züchterisch reagieren zu können.
Bei alledem kann die moderne Technik helfen und zusätzliche Informationen liefern. KWS investiert daher viel Arbeit in die Entwicklung von neuen Methoden, um bestimmte Merkmale von Pflanzen automatisch zu erfassen. Vom Boden und aus der Luft werden beispielsweise Bilder von Feldern oder Parzellen aufgenommen. Am Computer lassen sich daraus Rückschlüsse auf Merkmale ziehen. Dafür ist eine enge Kooperation zwischen IT-Spezialisten und erfahrenen Züchtern notwendig.
Was bedeutet künstliche Intelligenz?
Künstliche Intelligenz (KI) war über lange Zeit ein reines Forschungsgebiet. Was vor einigen Jahren noch der Blick in eine ferne Zukunft war, ist in der vergangenen Zeit immer konkreter geworden – etwa bei Sprachassistenten, Sprachübersetzungen, autonomen Fahrzeugen oder dem Erkennen von Krankheiten wie Krebs. Maschinen können zunehmend Aufgaben übernehmen, die bisher dem Menschen vorbehalten waren.
Damit künstliche Intelligenz funktioniert, braucht sie große Datenmengen, für gewöhnlich als Big Data bezeichnet. Grob lässt sich KI in drei Bereiche aufteilen:
- In die Wahrnehmung – etwa durch Sprach-, Text- und Gesichtserkennung.
- In das Lernen – wie sogenanntes tief gehendes Lernen (Deep Learning) und maschinelles Lernen.
- In das Handeln – also zum Beispiel den Einsatz von Robotern wie TerraSentia.
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