Neue Sorten entwickeln
Gemüsezüchtung
– faszinierend vielfältig
Vor zwei Jahren ist KWS in das Gemüsegeschäft eingestiegen. Züchter erklären aus erster Hand, worauf es bei der Entwicklung von Gemüsesorten ankommt.
Rund 150 Kolleginnen und Kollegen arbeiten bereits für die BU Gemüse, davon allein 120 beim niederländischen Unternehmen und Spinat-Weltmarktführer Pop Vriend, wo auch andere Kulturarten wie Bohnen und Mangold gezüchtet werden. Mit der Akquisition von Pop Vriend hatte unser Gemüsegeschäft 2019 begonnen, im März 2021 kam die italienische Firma Geneplanta mit Schwerpunkt Tomatenzüchtung dazu. Im Rahmen der Integration in die Business Unit wurde das Unternehmen im Juni 2021 in KWS Vegetables Italia umbenannt.
Das Entwickeln eigener Züchtungsprogramme ist für die BU enorm wichtig. Das bereits auf etwa 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsene Team von Coert Engels, dem Leiter der KWS Gemüsezüchtung, startet weltweit mit den Züchtungsaktivitäten für die „Big Five“: Tomaten, Paprika, Melonen, Wassermelonen und Gurken. Es entstehen Zuchtstationen in Mexiko (Culiacán), Brasilien (Uberlândia), im Südosten Spaniens (Almería und Murcia), in der Türkei (Antalya), in Indien und in China. Weitere Kolleginnen und Kollegen werden angestellt, zusätzliche Standorte könnten dazukommen.
„Eine der größten Herausforderungen bei der Gemüsezüchtung ist die enorme Segmentierung in den Märkten“, sagt Coert Engels. „Gemüsesorten müssen die Anforderungen von Anbauern, Händlern und Kunden gleichermaßen bedienen. Gemüse wird in unterschiedlichen Klimazonen angebaut und dann auch noch in verschiedenen Anbausystemen: unter freiem Himmel, unter Folie oder unter Glas. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Sorten im Hinblick auf Farben, Formen, Größen. Und natürlich sind die Geschmäcker verschieden.“
Sehr wichtig ist die Resistenzzüchtung gegenüber Krankheiten. Der Druck der Verbraucher nimmt zu, dass beim Anbau keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Dabei müssen die Züchter immer wieder auf Resistenzen gegen neue Krankheiten und Schädlinge, aber auch gegen neue Stämme und Rassen bestehender Krankheiten und Schädlinge züchten.“
„Der Lebenszyklus von Gemüsesorten ist in der Regel kürzer als bei landwirtschaftlichen Kulturarten, aber dafür ist die Züchtung schneller, weil je nach Gemüseart mehrere Generationszyklen pro Jahr möglich sind. Wir arbeiten dabei eng mit den Forscherinnen und Forschern in Einbeck zusammen, insbesondere bei der Entwicklung von Doppelhaploiden und dem Einsatz von Markertechnologie. Im vorigen Jahr haben wir mit den ersten Züchtungen begonnen. Nächstes Jahr werden wir die Resultate der ersten Kreuzungen bei Tomaten, Melonen und Wassermelonen haben. Es schließen sich ein bis zwei Jahre mit weiteren Versuchen in den Märkten an, und dann wollen wir die ersten eigenen KWS Sorten verkaufen.“ |
Kontakt:
Coert Engels
coert.engels@kws.com
Spinat
Johan Rijk – Spinatzüchter bei Pop Vriend in Andijk, Niederlande
Die Züchtung neuer Spinatsorten dauert im Durchschnitt drei bis vier Jahre, wenn wir pro Jahr eine Generation „von Saatgut zu Saatgut“ hervorbringen können. Es geht aber auch anders: Etwa fünf Prozent unseres Spinats züchten wir im Schnellverfahren. So können wir innerhalb von ein bis zwei Jahren neue Hybriden entwickeln.
Das wichtigste Merkmal in der Spinatzüchtung ist die Resistenz gegen den Schaderreger Peronospora effusa, der Falschen Mehltau verursacht. Warum? Allein in den USA wird fast die Hälfte des Baby-Blattspinats (Baby Leaf) biologisch angebaut. Die Spinatsorten benötigen daher das gesamte Resistenzpaket gegen Falschen Mehltau, da Landwirte keine chemischen Mittel gegen Pilze einsetzen dürfen. Wenn neue Varianten des Falschen Mehltaus auftauchen, besteht die Herausforderung darin, schneller als unsere Wettbewerber neue resistente Sorten zu entwickeln. Neben dem Baby-Blatt-(Salat-)Spinat in den USA und rund um den Globus sind die beiden Hauptmärkte der Bündelspinat in Asien und der verarbeitete Tiefkühlspinat in Nordwesteuropa.
Eine weitere Herausforderung ist der kurze Lebenszyklus von Baby-Blattspinat. Von der Aussaat bis zur Ernte vergehen manchmal nur 25 Tage. Das bedeutet, dass die Produzenten den Spinat auf ihren Feldern mehr als einmal im Jahr anbauen, manche sogar das ganze Jahr über. Allerdings sind die Anbaubedingungen zu jeder Jahreszeit anders, was unterschiedliche Anforderungen an die Sorten stellt. Daher müssen wir verschiedene Sorten für unterschiedliche Wachstumsperioden züchten. Das gilt auch für die Märkte von Spinat zur Bündelung und zur Verarbeitung. Dementsprechend schnell wächst unser Portfolio: Wir führen jedes Jahr fünfzehn neue Sorten ein.
Die Züchtung von Spinat ist recht einfach, da Spinat ein Windbestäuber ist. Um Hybridsorten zu entwickeln – und das sind alle unsere Sorten –, bestäuben wir eine weibliche Linie mit einer männlichen Linie. Dann kommt es darauf an, gute weibliche und männliche Linien zu züchten. In den letzten zehn Jahren haben wir viel Energie in markerunterstützte Selektion bei der Entwicklung von Elternlinien gesteckt. Mit dem Zugang zu den Laboren in Einbeck können wir sie beschleunigen. Der größte Teil unserer Spinatzüchtung findet in den Niederlanden statt. Je nach Markt führen wir Versuche auf der ganzen Welt durch: Baby Leaf testen wir zum Beispiel in den USA, Spanien, Italien, Großbritannien und vielen anderen Ländern. Bündelspinat testen wir hauptsächlich in China, der Türkei, Korea und Japan. In Belgien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden testen wir neue Spinatsorten für die Verarbeitung. |
Melonen
Juan Lizarzaburu – KWS Melonenzüchter in Spanien
Melonen schmecken zwar häufig süß wie Obst, aber sie sind tatsächlich ein Gemüse. Biologisch gesehen gehören sie zu den Kürbisgewächsen und haben große Ähnlichkeit mit Gurken. In Ländern wie Spanien, Frankreich, Italien und Marokko oder in Asien sind ursprüngliche Melonenarten nach wie vor verbreitet. Neue, süße Sorten sind durch Züchtung entstanden. Der Anbau von süßen und nicht süßen Sorten ist weltweit verbreitet, aber die kommerzielle Züchtung konzentriert sich mehr auf die Schaffung neuer süßer Sorten.
Melonen haben von allen Gemüsesorten die größte Vielfalt weltweit. Jeder Erzeugermarkt hat seine eigenen Sorten – ob im Mittelmeerraum, in der Türkei, Nordafrika, dem Mittleren Osten oder Asien. Von dort werden Melonen in jene Märkte exportiert, wo sie keine traditionell angebaute Frucht sind. Sie sind sehr gesund, weil wir sie roh essen und dadurch keine Inhaltsstoffe durch Erhitzen verloren gehen.
Melonen mit neuem Aussehen zu züchten ist generell recht einfach. Was die Züchtung komplex macht, sind die unterschiedlichen Bedürfnisse von Erzeugern, Verkäufern und Käufern: Erzeuger wollen Früchte mit hohem Ertrag, Resistenzen gegen Krankheitserreger und die Gewissheit, dass sie von Jahr zu Jahr beständige Ergebnisse liefern. Großhändlern und Verkäufern wiederum sind lange Lagerfähigkeit für den Transport und gutes Aussehen wichtig. Und auch für Käufer ist die Optik ein entscheidendes Kriterium – neben dem Geschmack.
Diese Züchtungsziele müssen wir vereinen, um aktuelle Trends abzubilden. Galiamelonen etwa sind in den vergangenen zwanzig Jahren immer langlebiger geworden und ließen sich besser transportieren. Das ging aber zulasten des Aromas. Wir suchen jetzt einen Mittelweg zwischen langer Haltbarkeit und Geschmack. Ein zweiter Trend: In Märkten, in denen es gezüchtete Melonen schon seit Jahrzehnten gibt, sind Sorten gefragt, die im Supermarkt auffallen, zum Beispiel weiße Melonen mit grünen Streifen, Minimelonen oder Sorten mit süßsaurem Geschmack.
Es dauert etwa fünf bis sechs Jahre, um eine neue Sorte zu züchten, die den bereits auf dem Markt befindlichen Sorten ähnlich ist. Um eine ganz neue Sorte auf den Markt zu bringen, brauchen wir sieben bis acht Jahre. Für KWS züchten wir mit einer Person in Spanien und haben einen weiteren Kollegen in Brasilien mit dem Ziel, in Zukunft ein starkes internationales Team von insgesamt fünf Melonenzüchtern aufzubauen. Am Anfang werden wir auch Hybriden von anderen Firmen ausprobieren, und wir erwarten, dass wir in den nächsten Jahren unsere ersten eigenen KWS Melonensorten auf den Markt bringen werden. Es wird fünf bis sechs Jahre dauern, bis wir unsere erste eigene KWS Sorte im Handel haben. |
Tomaten
Samuele Mariani – KWS Tomatenzüchter in Italien
Tomate ist nicht gleich Tomate. Mein Schwerpunkt liegt auf länglichen Sorten in fünf Größen, und jede hat eigene Charakteristika. Ein Kollege kümmert sich um runde Sorten von Cherry- bis Fleischtomaten. Diese Vielfalt macht Tomaten für mich zu einer solch spannenden Frucht. Noch dazu ist der Markt offen für komplett neue Varianten bezüglich Farbe, Form und Geschmack. Aktuell geht der Trend zu Tomaten mit intensivem Geschmack.
Geografisch liegt unser Fokus aktuell auf Mexiko als größtem Markt für frische Tomaten und Italien, das für die hohe Qualität seiner Tomaten berühmt ist. Wir arbeiten mit drei Züchtern auf zwei Zuchtstationen in Italien.
Resistenzen zu züchten ist eines unserer wichtigsten Ziele. Weitere wichtige Merkmale sind hoher Ertrag, Haltbarkeit und Geschmack. All das zu vereinen ist schwierig, denn Lagerfähigkeit und Geschmack gehen in der Züchtung in genau gegensätzliche Richtungen.
Den Geschmack dürfen wir aber keinesfalls vernachlässigen – sonst passiert das, was wir in den vergangenen Jahren bei der Kirschtomate in Italien beobachtet haben: Die Nachfrage und das Ansehen italienischer Tomaten insgesamt sind in Europa gesunken, weil die Tomaten jetzt zwar länger halten, aber nicht mehr so gut schmecken. Wir müssen also den Geschmack zurückbringen und gleichzeitig die Haltbarkeit bewahren. Auf Sizilien ist unsere Mini-Pflaumentomatensorte LIPARI F1 mit einem Gewicht von vierzig Gramm bei den Anbauern gerade sehr beliebt, weil sie Haltbarkeit, Geschmack, Farbe und Festigkeit ideal kombiniert.
Das Zuchtmaterial haben wir zehn Jahre lang aufgebaut und nutzen es jetzt für KWS. Wir haben außerdem Zugang zu mehreren Gendatenbanken in den USA und Europa – auch mit wilden Sorten, die für neue Resistenzmerkmale und für den Geschmack wichtig sind.
Bis wir eine neue Sorte haben, dauert es im Schnitt fünf Jahre. Pro Jahr selektieren wir zweimal. Die Hauptmerkmale, die wir beeinflussen, sind Ertrag, Farbe, Süße, die Festigkeit und wie knackig die Tomaten sind. Im Mittelmeerraum sind süßere Sorten gefragt, insbesondere bei Kirschtomaten. In Nordeuropa geht es um eine Balance aus Süße und Säure, und junge Menschen bevorzugen süße Tomaten als Snack. |
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