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Ökosaatgut

Jenny Matthiesen

Die Frau für unsere
neuen Ökosorten

Ökolandbau wird in zehn Jahren eine noch bedeutendere Rolle auf internationalen Märkten spielen. Jenny Matthiesen bereitet unseren Weg für neue Sorten – kulturartenübergreifend.

Ein Öko mit Wollsocken in Birkenstocksandalen? Das ist nicht Jenny Matthiesen. Die Norddeutsche ist dörflich und naturverbunden an der Ostsee aufgewachsen: landwirtschaftlich geprägt, in der Landjugend engagiert und bis heute mit vielen Landwirten und Jägern befreundet. „Aber man muss kein Öko sein, um Ökosorten hervorzubringen.“

Denn sie hat bei KWS ein klares Ziel: Bis 2030 müssen die Länder der Europäischen Union ihren ökologischen Beitrag zur Ernährung erhöhen. In Deutschland geht es um einen Ökolandbau-Anteil von zwanzig Prozent, EU-weit um 25 Prozent. „Einige Landwirte werden ihre Wirtschaftsweise umstellen müssen“, sagt Jenny ­Matthiesen. „Die sind heute schon unsere Kunden und sollen es auch 2030 noch sein. Deshalb müssen wir ihnen die Sorten liefern, die sie 2030 brauchen. Und damit müssen wir heute anfangen.“

Gesamtüberblick über viele Kulturarten von KWS

Diesen Weg zu beschreiten, das ist die Aufgabe des Organic Variety Developments – einer Funktion, für die KWS 2019 erstmals eine Stelle ausgeschrieben hat, die Jenny Matthiesen seit Juni 2020 an unserem Ökohauptstandort in Wiebrechtshausen besetzt. Die heute 32-Jährige bewarb sich aus der Sortenzulassung im Bundessortenamt auf die neu geschaffene Position – mit leisen Zweifeln. Die Stelle war für Master-Absolventen und Doktoranden ausgeschrieben. „Ich hatte nur den Bachelor als Agraringenieurin.“

Mit ihren Erfahrungen aus fünf Jahren im Bundessortenamt brachte sie aber ideale Voraussetzungen mit. „Da hatte ich erstmals Kontakt zu ökologischen Wertprüfungen.“ Und im Referat Getreide hatte sie mit allen Getreidearten zu tun. So lernte sie, schnell zwischen Kulturarten zu wechseln und gleichzeitig den Gesamtüberblick zu behalten.

Das hilft ihr heute bei KWS: Sie bildet kulturarten- und länderübergreifend die Brücke zwischen der konventionellen Züchtung und dem Produktmanagement für ökologischen Landbau. „Ich finde den Job super vielfältig, weil ich nicht nur auf eine Kulturart schaue, sondern auf viele, die KWS hat. Das ist meine Motivation jeden Tag.“

Konventionelle Züchtung als Grundlage

Eine ihrer Aufgaben ist es, Genotypen für den ökologischen Landbau zu selektieren. Entscheidend für den Ökolandbau seien beispielsweise Merkmale wie schnelle Jugendentwicklung und hohes Potenzial zur Unkrautunterdrückung. Beim Getreide spielen unter anderem auch die Pflanzenlängen eine Rolle, um Krankheiten davonzuwachsen oder mehr Stroh für tierhaltende Ökobetriebe zu generieren. Auch eine bessere Blattgesundheit ist eines ihrer Ziele, weil chemische Pflanzenschutzmittel verboten sind.

Jenny Matthiesen bei der Bestandskontrolle.

Im ökologischen Landbau achtet die 32-Jährige auf Merkmale wie Pflanzenlängen und Blattgesundheit.

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Grundlage für die Sortenentwicklung ist die konventionelle Züchtung: „Die Merkmale stimmen zu achtzig Prozent überein. Unsere Forschung hat gezeigt, dass es nicht nötig ist, extra ein Zuchtprogramm für Ökoaktivitäten zu etablieren, sondern in jüngeren Generationen gezielt auf Ökomerkmale zu selektieren. Dazu tausche ich mich mit den Züchterinnen und Züchtern der konventionellen Zuchtprogramme aus und arbeite eng mit diesen zusammen.“ Nach der Selektion werden die Genotypen auf eigenen Versuchsfeldern unter Ökobedingungen getestet. In Deutschland laufen diese Versuche aktuell in Wiebrechtshausen, Seligenstadt und Petkus. Weitere Standorte mit Versuchsfeldern sind in Österreich und Frankreich. Ziel ist es, die Aktivitäten auch auf andere EU-Länder und Großbritannien auszuweiten.

Auslandserfahrung in Kanada

Auch für diese internationale Arbeitsweise gibt es einen passenden Abschnitt in Jenny Matthiesens Lebenslauf: Nach ihrer Ausbildung zur Landwirtschaftlich-technischen Assistentin (2006 bis 2008) ging sie im Mai 2009 für ein Jahr nach Kanada. „Ich war dort sehr frei, verschiedene Dinge auszutesten.“ Sie verbesserte ihr Englisch und sagt, dass sie sich wegen ihrer Auslandserfahrung schnell in die Menschen anderer Kulturen hineinversetzen kann.

In Kanada arbeitete Jenny Matthiesen unter anderem auf Spruce Meadows nahe Calgary, der größten Reitanlage der Welt, weil sie leidenschaftliche Reiterin ist. „Aber mein Hobby anschließend zum Beruf zu machen war keine Option – reiten sollte mein Hobby bleiben.“ Ganz im Unterschied zu den knapp sechs Monaten bei einem Züchter, die ihre Begeisterung für den Beruf nur noch mehr weckten. Sie arbeitete dort mit Volker Marwede zusammen, zu dessen Familie sie anschließend guten Kontakt pflegte und der jetzt wieder ihr Kollege ist: Er ist Hybridgerstenzüchter an unserem Standort in Wetze.

Einsichten in die Arbeit: Melissa Schreiber macht neue Aufnahmen für den Social-Media-Kanal.

Züchtung statt Vertrieb

Nachdem sie aus Kanada zurück war, arbeitete Jenny Matthiesen für anderthalb Jahre bei einem Kartoffelzüchter. Aber sie wollte mehr – und kündigte, um ihr Fachabitur nachzuholen und Landwirtschaft zu studieren. Im letzten Semester hatte sie erstmals Kontakt zu KWS: als Trainee im Maisvertrieb. „Da habe ich gemerkt: Vertrieb ist Vertrieb, und da kommt es am Ende darauf an, Einheiten zu verkaufen und Geld zu verdienen. Das war nicht meins. Ich gehöre in die Züchtung.“

Was Jenny Matthiesen daran fasziniert, ist die Arbeit mit Pflanzen im Freien. „Wenn in der Erntezeit die Parzellendrescher auf dem Acker sind, dann bin ich die Erste, die vor Ort ist und auch mal mit anpackt“, sagt die Norddeutsche, die aktuell berufsbegleitend noch ihren Master in Business Administration macht. „Die Genotypen sind wie kleine Kinder. Natürlich will man mitbekommen, wie sie wachsen und wie die Ergebnisse sind.“ Zimperlich ist sie nicht. „Züchtung findet draußen statt, egal bei welchem Wetter, und nicht nur vor dem Computer.“

Jenny Matthiesen – voll in ihrem Element. |

Ökohauptstandort Wiebrechtshausen

Ein Special Home für Special Crops

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Die Sub Business Unit Special Crops and Organic Seeds (SBU SC&OS) hat Anfang 2021 das historische Molkehaus am Standort Wiebrechtshausen bezogen. Es verfügt über sieben Büros auf drei Etagen, einen kleinen Besprechungsraum, zwei Meeting­points und eine großzügige Küche. Das denkmalgeschützte Gebäude erlebte eine umfassende Erneuerung. Außen wurde es aufwendig restauriert und optisch aufgewertet, innen wurde es komplett renoviert. Das Gebäude hat seinen Charme dennoch ganzheitlich behalten, weil Natursteinwände und Böden erhalten blieben, ergänzt um natürliche Baustoffe wie Eichenholzbohlen.
Der Standort beherbergt nun neben allen Arbeitsbereichen rund um den Ökolandbau alle internationalen Aktivitäten rund um Zwischenfrüchte, Sorghum, Hafer und Erbsen.
Mit dem Umzug von Einbeck auf das Klostergut haucht die SBU SC&OS dem historischen Molkehaus neues Leben ein. Das Gebäude ist eine Verlängerung des Gutshauses und wird durch den Einzug erstmals seit vielen Jahren wieder genutzt. Die Kombination aus alten Gemäuern und moderner KWS Einrichtung verleiht dem Standort seinen besonderen Charme und sorgt dafür, dass die Special Crops ein Special Home erhalten.

Arbeitsplätze für
15 Personen

„Das Molkehaus ermöglicht uns, als Sub Business Unit weiter zu wachsen“, sagt Hermann Klingemann, Leiter der SBU SC&OS. „Insgesamt können hier bis zu 15 Personen arbeiten. Zusätzlich ermöglicht uns die Nähe zu unserem landwirtschaftlichen Betrieb einen besseren Erfahrungsaustausch mit den Praktikern, und unsere Versuchsflächen können noch intensiver betreut werden.“

Komplettiert wird die Konstellation aus praktischer Ökolandwirtschaft, Ökoprodukt- und Portfoliomanagement noch durch die eigene Ökosortenentwicklung. „Insbesondere die Nähe zu den verantwortlichen Kolleginnen des Marketings und des Portfoliomanagements ermöglicht einen engen Austausch zu den Bedürfnissen der Kunden für die zukünftige Sortenentwicklung“, sagt Ökosortenentwicklerin Jenny Matthiesen. „Die Entwicklung von Sorten innerhalb eines eigens angelegten Verantwortungsbereichs, die auf die speziellen Bedürfnisse der Ökolandwirte zugeschnitten sind, gehört zu einem besonderen Merkmal der KWS gegenüber den Wettbewerbern.“

Eigenständiger Anlaufpunkt

Nebst der Nähe zu den Ökoversuchen, die seit fast zwanzig Jahren am nun wachsenden Ökohauptstandort Wiebrechtshausen durchgeführt werden, soll der Standort der gesamten Einheit Eigenständigkeit verleihen. Gleichzeitig soll sie ein Anlaufpunkt für alle Kolleginnen und Kollegen sein, die mit den Special Crops in engerem Austausch stehen. Die Abteilung ist ein Cross-Crop-Akteur innerhalb der KWS, da der Vertrieb der verschiedenen Kulturen nicht über eine einzige Business Unit, sondern – je nach Land variierend – einer Business Unit zugeordnet ist.
Die Vielfalt der Special Crops zeigt sich auch in den eigens ausgewählten Kunstwerken im Molkehaus. Die Gestaltung oblag den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum größten Teil selbst. „Es ist toll zu sehen, wie aus einer Ruine ein solches Schmuckstück werden konnte“, schwärmt Melissa Schreiber, die Verantwortliche für das internationale Marketing der SBU. „Am Anfang fehlte noch ein wenig die Vorstellungskraft, aber das Resultat übertrifft alle Erwartungen. Unser Molkehaus ist ein echtes Schmuckstück und bietet viel Platz für Kreativität!“ |


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