Forschung

Genome Editing

GENOME EDITING

Ein Innovationsteam mit
klaren Zielen

Genome Editing funktioniert nur im Team. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erläutern, welche Ziele KWS beim Thema Genome Editing verfolgt und wie sie gemeinsam die neuen Züchtungsmethoden vorantreiben.

In den letzten Ausgaben der KWSintern haben wir uns eingehend mit dem Thema Genome Editing beschäftigt: der Wissenschaft, dem möglichen Nutzen für die Züchtung und die Gesellschaft insgesamt sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen. In dieser Ausgabe gibt Luz Irina Calderón Villalobos, Leiterin der Genome-Editing-Gruppe und Managerin des KWS Gateway Research Centers in St. Louis (Missouri), USA, Einblick in die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei KWS, die im Bereich Genome Editing tätig sind. Zudem erhalten wir einen Einblick in die strategischen Ziele von KWS auf diesem Gebiet.

Was steht auf der Agenda für die Genome-Editing-Gruppe von KWS?

Wir verfolgen Editing-Methoden an zwei Hauptfronten. Zum einen haben wir einen routinemäßigen Genome-Editing-Service eingeführt, den wir weiterentwickeln und der den Pflanzenzüchterinnen und Pflanzenzüchtern von KWS die Möglichkeit bietet, Gene zu validieren und zu identifizieren, von denen man annimmt, dass sie für ein wertvolles Merkmal verantwortlich sind. Dies wird durch Einbringung einer Veränderung erreicht, die die Genfunktion stört, was einen nachweisbaren und messbaren physiologischen Effekt in Pflanzen oder deren Produkten hat. Dieser Service wird seit ein paar Jahren für Maissorten angeboten und im Juli 2021 auch für Zuckerrüben eingeführt. Zum anderen entwickeln wir Editing-Methoden, die über genetische Veränderungen hinausgehen und die Einbringung oder den Ersatz von Genen bei allen Kulturpflanzen von KWS ermöglichen.

Luz Irina Calderøn Villalobos, Leiterin der Genome-Editing-Gruppe und Managerin des KWS Gateway Research Centers in St. Louis

Wo liegen die Prioritäten beim Genome Editing?

Hinter allem was wir tun, steht die Mission der KWS und das Ziel, angewandte Innovationen zu ermöglichen. Genome Editing ist eine neue Züchtungsmethode, die es uns ermöglicht, das Erbgut von KWS Kulturpflanzen zu verändern. Mit der Suche nach zufälligen Veränderungen in der DNA können für Pflanzenzüchterinnen und Pflanzenzüchter Jahrzehnte ins Land gehen. Genome Editing bietet uns die Möglichkeit, die gewünschten Veränderungen schnell und vorhersehbar zu bewirken, und leistet so einen wertvollen Beitrag zu einer effektiveren und effizienteren Pflanzenzüchtung. Letztlich zielt die Arbeit unseres international aufgestellten Genome-Editing-Teams darauf ab, modernste Verfahren zu entwickeln, um die strategischen Ziele und die Mission von KWS voranzutreiben, nämlich die Welt mit individuellen, nachhaltigen und innovativen Saatgutlösungen zu versorgen.

Gibt es eine spezielle Methode, die die Genome-Editing-Gruppe in Zukunft gern etablieren möchte?

In den kommenden Jahren streben wir die Entwicklung eines Editing-Ansatzes in „XL“ (extra large) und „XXL“ (extra extra large) zur gezielten Einführung von Quantitative Trait Locus (QTL) in Elitesorten an. QTLs sind große DNA-Abschnitte, die mit einem bestimmten phänotypischen Merkmal assoziiert sind und von Züchterinnen und Züchtern durch klassische Züchtungsmethoden identifiziert werden. QTLs können aus zwei oder mehreren Genen bestehen und polygenen Effekten zugeordnet werden. Daher könnte uns Genome Editing enorme Möglichkeiten eröffnen, bestimmte komplexe Pflanzeneigenschaften wie Schädlingsresistenz oder Toleranz gegenüber abiotischem Stress zu entschlüsseln. Genome Editing wird auch dazu dienen, die Wirkung, das Zusammenspiel, die Anzahl und die genaue Lage dieser DNA-Abschnitte zu identifizieren und, was noch wichtiger ist, diese in einem Arbeitsgang in Sorten mit Marktpotenzial einzuführen. Das beschleunigt die Züchtung gegenüber den herkömmlichen Methoden. |

INFO

Aktueller Stand der EU-Regulierung

Im April veröffentlichte die Europäische Kommission ihre mit Spannung erwartete Studie, die die aktuell gültigen Bedingungen für den Einsatz neuer Züchtungsmethoden bewertet. Die Studie hat deutlich gemacht, dass die derzeitige Regelung nicht zweckmäßig ist. Dies ist ein positiver erster Schritt, der hoffentlich zu einer Änderung der 20 Jahre alten Gesetzgebung führen wird. Derzeit stuft die Verordnung Pflanzen, die mithilfe neuer Mutagenese-Methoden wie dem Genome Editing entwickelt wurden, als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) ein – obwohl sie keine fremde DNA enthalten und identisch mit Pflanzen sind, die mit klassischen Züchtungsmethoden hätten entstehen können.
KWS arbeitet nun aktiv mit verschiedensten Interessengruppen zusammen, um Lösungen für einige der noch offenen Fragen rund um den Zugang zu geistigem Eigentum und Patenten, Kunden- und Verbrauchertransparenz sowie Wahlfreiheit zu entwickeln sowie eine Antwort auf die Frage zu finden, wie diese Produkte in Zukunft reguliert werden könnten. Wir haben auch die Aufgabe, die Öffentlichkeit über die neuen Methoden zu informieren und dazu beizutragen, dass diese am Markt akzeptiert werden.
In den kommenden Monaten wird die Kommission eine Folgenabschätzung einschließlich einer öffentlichen Anhörung einleiten, in der Grundsatzoptionen geprüft werden, die hoffentlich den Weg für einen Beitrag neuer Züchtungsmethoden zur Erreichung der agrarpolitischen Ziele in der EU ebnen. KWS begrüßt diese offene öffentliche und politische Debatte, an der sich das Unternehmen in jedem Fall beteiligen wird.
Die vollständige Stellungnahme von KWS.
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Diese Zahnräder greifen ineinander

Expertinnen und Experten

Behailu Aklilu
Wissenschaftler
KWS GRC, St. Louis, USA


„Genome Editing beinhaltet das Schneiden (Brechen), Nähen und Zusammensetzen (Reparieren) des DNA-Materials beliebiger Organismen. Während Nukleasen (molekulare Scheren) einen gezielten Schnitt setzen, nutzt das „Nähsystem“ die zellinternen Reparaturmechanismen, um die Schnittstellen wieder zu verbinden. Während das direkte Verbinden von gebrochenen DNA-Enden zu kleinen Verlusten von DNA-Stücken führen kann, was ein Ausschalten von Genen zur Folge hat, kann der Reparaturmechanismus auch von außen bereitgestellte DNA als Reparaturmatrize verwenden (Insertion). Meine Forschung konzentriert sich darauf, die pflanzeneigenen DNA-Reparaturmechanismen nutzbar zu machen und einzusetzen, um die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Editings zu erhöhen.“ |

Natalja Beying
Wissenschaftlerin
KWS Einbeck, Deutschland


„Ich bin erst seit Kurzem bei KWS und freue mich, unsere Aktivitäten im Zuckerrübensegment zu unterstützen und meine Erfahrungen im Bereich Genome Editing einzubringen. Im Rahmen meiner bisherigen Arbeiten konnten Pflanzenchromosomen umgebaut werden, was die Pflanzenzüchtung transformieren könnte. Da die Analyse von Pflanzen auf Schnitte mit dem gewünschten Effekt ein entscheidender Schritt ist, arbeite ich an der Entwicklung und Verbesserung von Genome-Editing-Erkennungsmethoden. Durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Molekular-Service-Teams und der Datenverwaltung für die nachfolgende Analyse hoffen wir, ein schnelles und einfaches Screening aller gewünschten Schnitte zu ermöglichen, die aus verschiedenen Genome-Editing-Methoden stammen.“ |

Gengxiang Jia
Wissenschaftler
KWS GRC, St. Louis, USA


„Die Entdeckung und Entwicklung des CRISPR-Cas-Systems hat das Genome Editing aufgrund seiner Flexibilität, Effizienz und relativ geringen Kosten revolutioniert. Durch präzise Ergänzungen, Deletionen oder den Austausch von genetischen Elementen an bestimmten genomischen Stellen können wir Zugang zu bestimmten Merkmalen erhalten, indem wir ein oder mehrere Ziele und selbst ganze Stoffwechselwege auf einmal optimieren. Meine Arbeit umfasst die Entwicklung von molekularen Komponenten, die das Editieren mehrerer Gene in einem Zug ermöglichen, sowie die Optimierung von Detektionssystemen zur schnellen Identifizierung gen­editierter Pflanzen.“ |

Mei Yu
Wissenschaftlerin
KWS GRC, St. Louis, USA

„Das CRISPR-Cas-assoziierte Protein für Genome Editing besteht aus zwei Hauptbestandteilen: Die Nuklease funktioniert wie eine molekulare Schere, um DNA-Stränge zu schneiden, und die Leit-RNA gibt der Nuklease vor, wo sie schneiden soll. Bei KWS optimiere ich Cpf1 und MAD7, zwei der CRISPR-Cas-Nukleasen, die wir im Genome Editing häufig verwenden. Unser Team arbeitet ständig an Verbesserungen, um die Schnitteffizienz zu erhöhen, das Ziel zugänglicher zu machen und die Spezifität zu verbessern. Ich leite derzeit ein Projekt, mit dem ein routinemäßiger Genome-Editing-Service für Mais etabliert werden soll, der Züchtern die Bereitstellung von Gen-Ersatz und Gen-Insertionen im gewünschten genetischen Hintergrund in weniger als einem Jahr ermöglicht. Wir gehen davon aus, dass dies ein enormes Potenzial für die Verbesserung und Beschleunigung unserer Züchtungsaktivitäten birgt.“ |

Theodore Moll
Research Associate
KWS GRC, St. Louis, USA

„Zelltechnologien sind entscheidend für die Produktion, Erhaltung und Bereitstellung von Genome-Editing-Komponenten in Pflanzenzellen. Die Gewebekultur bietet die Möglichkeit, die Genome-Editing-Werkzeuge mit den zu editierenden Nutzpflanzen in verschiedenen Pflanzengeweben zusammenzubringen. Für die diversen Kulturen sind sorgfältige Überlegungen in Bezug auf die verschiedenen Nährstoffe, Wachstumsbedingungen und Isolationstechniken anzustellen. Nachdem das Genome Editing erfolgt ist, können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mittels Gewebekulturmethoden diese Gewebe zu voll ausgewachsenen Pflanzen züchten, sodass sie analysiert und auf Editieren getestet werden können. Ich arbeite an der Implementierung von Zelltechnologien für das Editieren von Weizen und Roggen.“ |

Juan Li
Research Associate
KWS GRC, St. Louis, USA

„Die Pflanzengewebekultur ist das Zugpferd beim Genome Editing. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Techniken zur Kultivierung von Zellen, Geweben oder Organen in einer kontrollierten sterilen Umgebung mit einer definierten chemischen Zusammensetzung. Die Gewebekultur wird in Kombination mit Genome-Editing-Techniken zu einem leistungsstarken Werkzeug für die Generierung von Zelllinien, die gegen biotischen und abiotischen Stress resistent sind. So kann man verbesserte Pflanzen von agrarwissenschaftlichem Interesse erhalten oder das komplexe Pflanzengenom untersuchen. Ich trage als Zellkulturexpertin zur fortlaufenden Innovation von Zelltechnologien bei, die das Editieren in verschiedenen KWS Kulturen ermöglichen.“ |

Aurélie Jouanin
Wissenschaftlerin
KWS Einbeck, Deutschland

„Ich bin Pflanzenbiotechnologin, und mich fasziniert das Potenzial des Genome Editings. Zurzeit koordiniere ich in Einbeck ein Genome-Editing-Projekt für Zuckerrüben, das darauf abzielt, eine Pipeline für unsere Züchtungsaktivitäten aufzubauen. Um die Entwicklung und den Einsatz der besten Genome-Editing-Methoden unter Einhaltung des Vertragsrechts zu gewährleisten, arbeite ich eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Rechtsabteilung und dem IP-Bereich zusammen.“ |

Mathias Labs
Wissenschaftler
KWS GRC, St. Louis, USA

„Auch wenn der Weg zur Produktentwicklung unstet ist, ist Genome Editing ein großer Gewinn für die moderne Züchtung. Unser Ziel ist es, die Methode für alle KWS Kulturen verfügbar zu machen. Ich leite ein Projekt mit dem Ziel, die Anwendung unsere Editiermethoden über Mais und Zuckerrüben hinaus auszuweiten. Während sich unsere Bemühungen in erster Linie auf Getreide konzentriert haben, versuchen wir, Modellprojekte für Genome Editing in zweikeimblättrigen Pflanzen wie Raps, Sonnenblumen und künftig auch Gemüsepflanzen durchzuführen. Darüber hinaus fungiere ich als Bindeglied zwischen unserer wissenschaftlichen Genome-Editing-Gruppe und den Teams Innovation/Licensing/Scouting/Technology (ILST) sowie Legal & IP (LIP), um die Abstimmung zwischen ILST/LIP und den internen Genome-Editing-Aktivitäten zu gewährleisten.“ |

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Wegbereiterinnen und Wegbereiter

Anja Matzk
Head of Regulatory Affairs


„KWS ist davon überzeugt, dass Genome Editing ein vielversprechendes Werkzeug für die Zukunft einer nachhaltigen Landwirtschaft ist. Um die Vorteile dieser innovativen Methode nutzen zu können, setzen wir uns für praktikable und, wenn möglich, weltweit harmonisierte regulatorische Rahmenbedingungen ein.“ |

Klaus Schmidt
Group Lead Plant Cell & Transformation Technologies


„Wir entwickeln Pflanzen­regenerations­tech­no­lo­gien und wenden sie an, um Genome Editing in den verschiedenen KWS Kulturen, insbesondere bei der Zuckerrübe, zu ermöglichen. Die Kombination des richtigen Regenerationssystems mit der richtigen Transfermethode für die Genome-Editing-Komponenten ist die entscheidende Frage, die es zu beantworten gilt.“ |

Markus Nießen
Group Lead Molecular Technologies


„In unserem Team sind wir sowohl Kunde als auch Dienstleister von Genome Edi­ting. Wir setzen Genome Editing in vielen unserer Forschungsprojekte ein, um Methoden zur Optimierung von Züchtungsprozessen, zur Validierung und Charakterisierung von Genen und potenziell zur Produktentwicklung zu entwickeln. Als Dienstleister unterstützen wir Genome Editing durch Klonierungen für die spätere Transformation und entwickeln gemeinsam Analyseverfahren zur Charakterisierung der editierten Pflanzen. Hand in Hand zu arbeiten ist entscheidend für eine effiziente Technologieentwicklung.“ |

Ling Men
Research Fellow in Cell Tech Accelerator

„Wir haben eine KWS eigene Werkzeugkiste mit zehn Proteinen, die die Regeneration verstärken (Regeneration Boost Proteins, RBPs), sowie zwei schnelle Einzelzell-Regenerationssysteme unter Verwendung des unreifen Embryos und des unreifen Blütenstands für transgenfreies und Genotyp-unabhängiges Genome Editing bei Mais entwickelt. Diese Verfahren sind für Genome Editing von entscheidender Bedeutung und ermöglichen den Roll-out der SDN-1-Pipeline sowie die Weiterentwicklung von SDN-2/3 im Maissegment.“ |

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Anwenderinnen und Anwender

Daniela Scheuermann
Group Lead Genomics Maize and Oilseed Crops


„Für die funktionelle Validierung von Kandidatengenen in der Gene Discovery Pipeline ‚biotic‘ bei Maispflanzen führen wir SDN1 direkt in der resistenten Donorlinie aus, was uns einen erheblichen Zeitvorteil gegenüber allen anderen Methoden verschafft.“ |

Dietmar Stahl
Project Lead Fungal Resistance


„Ich nutze Genome Edi­ting für die Analyse von Genen, die an der Pilzresistenz von Mais und Weizen beteiligt sind. Mithilfe dieser Methode konnten wir Mutanten für diese Gene mit einer Schnelligkeit und Genauigkeit erzeugen, die wir mit keiner anderen Technik zuvor erzielt haben.“ |

Aurélie Bak
Research Lead Insect Resistance


„Pflanzengene durch Genome-Editing-Techniken zu verändern ist ein einfacher und effektiver Ansatz, Merkmale der Insektenresistenz zu untersuchen und zu ­entwickeln.“ |

Frank Ludewig
Wissenschaftler Pflanzenphysiologie

„Genome Editing wird sicherlich bei beiden komplexen Merkmalsträngen (Mais und Zuckerrüben) dazu beitragen, Kandidatengene zu verifizieren, indem diese ausgeschaltet (SDN-1) und die Auswirkungen auf die Trait-Komponenten und letztendlich auf die Eigenschaften ,Ertrag‘ und ,Ertragsstabilität bei Trockenheit‘ untersucht werden. Und mit SDN-2/3 wird noch mehr möglich sein.“ |

Corinna Streitner
Wissenschaftlerin Molekulartechnologie

„Modulation der Genexpression: Genome Editing ist hilfreich bei der Anwendung unseres Verfahrens zur Aktivierung oder Unterdrückung von Trait-Genen.“ |

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