Forschung

Zuckerrüben

Früher war die kultivierte Zuckerrübe mehrkeimig (unten) und der Anbau dadurch arbeitsaufwendig. Die Entdeckung der einkeimigen Mutante (oben) ermöglichte mechanische Aussaat auf Endabstand.

Genome Editing

Das M-Gen – gesucht und gefunden

Die Mutation für Einkeimigkeit spielt bei der erfolgreichen Züchtung von Zuckerrüben eine Schlüsselrolle. Obwohl sie schon vor fast achtzig Jahren entdeckt wurde, ließ sich das dafür verantwortliche M-Gen erst kürzlich nachweisen.

Die Zuckerrübe ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine einzelne Entdeckung in der Züchtung die Eigenschaften einer Pflanze wesentlich verbessern kann. Bevor der ukrainische Wissenschaftler Viacheslav F. Savitsky in den 1940er-Jahren die monogerme (oder einkeimige) Mutante entdeckte, war die kultivierte Zuckerrübe multigerm, also mehrkeimig: Dabei gehen aus einem einzigen Samenknäuel zwei oder mehr Sämlinge hervor und die Pflanzen müssen arbeitsaufwendig vereinzelt werden. Heute sind alle landwirtschaftlich kultivierten Zuckerrüben monogerme Hybridsorten, die sich mechanisch säen lassen, sodass pro Hektar erheblich weniger Arbeitskraftstunden anfallen.

Einkeimige und mehrkeimige Linien spielten auch bei der Suche nach dem M-Gen eine wichtige Rolle. Hier stehen Dietrich Borchardt und Britta Schulz beim aktuellen Zuckerrüben-Monogerm-Kreuzungsprogramm.

Ursprünge der Zuckerrübengenetik

Für KWS brachte die Entdeckung der monogermen Mutante zunächst eine eher bittere Lernerfahrung mit sich, da andere Unternehmen die genetische Monogermität schneller züchterisch einsetzten. KWS setzte damals noch auf die mechanische Spaltung der Samenknäuel, ein Verfahren, das sehr viel weniger effektiv ist als die genetische Monogermie.

Seitdem haben wir in unserem Verständnis der Genetik von Zuckerrüben allerdings enorme Fortschritte gemacht, und KWS ist zu einem Zentrum der kollaborativen Zuckerrübenforschung geworden. Britta Schulz, Wissenschaftlerin für Merkmalsanalyse und Genomforschung, erinnert sich an den Beginn ihrer Laufbahn bei KWS vor 25 Jahren: „Das waren die frühen Tage der Genomforschung. Es gab nur wenige Forschungsmittel für Zuckerrüben, und wir mussten bei der Entwicklung der genomischen Werkzeuge bei null anfangen.“

Natalja Beying: Auch Resistenzen lassen sich mithilfe der Genvalidierung entwickeln.

Das erste Projekt lief einige Jahre später im Rahmen des GABI-Programms (Genomanalyse im biologischen System Pflanze) an. „Wir hatten uns dafür entschieden, gemeinsam mit Mitbewerbern an der Entwicklung der Werkzeuge zu arbeiten, denn am Ende kommt es darauf an, wie man diese Werkzeuge einsetzt. Dieser Ansatz führte zum Erfolg“, erläutert Britta Schulz, die das Projekt koordinierte.

„Die Identifizierung eines Gens ist wie Detektivarbeit“, schildert Britta Schulz. „Verdächtige müssen Schritt für Schritt ausgeschlossen werden, und dies kostet Zeit, so schnell wir auch gern vorankommen würden.“ Die Geschichte des M-Gens beginnt im Jahr 2007, als ­Dietrich Borchardt, Wissenschaftler im Bereich Merkmalskartierung, gemeinsam mit Elke Herrmann, die die Anzucht und Phänotypisierung der Pflanzen verantwortet, die erste grundlegende Kartierung des Gens startete.

Darauf folgte 2009 die Feinkartierung, um die Lage des Gens im Erbgut der Zuckerrübe genau auf eine bestimmte Region einzugrenzen. Das Team verglich Tausende von Pflanzen aus monogermen und multigermen Linien, um die genetischen Unterschiede aufzudecken.

„Die Identifizierung Eines Gens ist wie Detektiv-Arbeit.“

Britta Schulz

Vor dem Publizieren: Verifizierung des M-Gens

2011 war die Lage des Gens dann näherungsweise bestimmt. Daraufhin konnten Prof. Dr. Bernd Weisshaar und Dr. Daniela Holtgräwe von der Universität Bielefeld im Rahmen des Projekts das Kandidatengen identifizieren. Möglich war dies dank der ersten Version des Zuckerrüben­Referenzgenoms mit annotierten Genmodellen.

Damit war die Arbeit aber noch nicht getan: Um ein derartiges Forschungsergebnis zu publizieren, muss das Gen verifiziert werden. Ein möglicher Weg hierfür ist das Genome Editing. „Wir wandten uns damals an die Züchter, um eine offene Frage in Zusammenhang mit einem sichtbaren Phänotyp zu finden, an der wir die Leistungsfähigkeit des Genome Editings demonstrieren konnten“, berichtet Klaus Schmidt, Gruppenleiter Zellbiologie. Das M-Gen war dafür perfekt geeignet.

„Beim M-Gen entscheidet ein einziges Basenpaar über den Unterschied zwischen dem multigermen und dem monogermen Genotyp“, erklärt Natalja Beying, die sich als Wissenschaftlerin im Genome Editing auf die Zuckerrübe konzentriert. „Wir haben also beim multigermen Genotyp einen sogenannten Knock-out des Gens mit der SDN-1-Technik produziert.“ Mit SDN-1 werden kleine, gezielte Deletionen oder Insertionen in das Genom der Pflanze eingeführt. „Der Knock-out führte zu einem monogermen Phänotyp, und damit war das Kandidatengen endgültig nachgewiesen“, schließt Natalja Beying.

Elke Herrmann (Mitte) präsentiert Bernd Weisshaar und Daniela Holtgräwe (Uni Bielefeld) den multigermen Phänotyp.

Genome Editing – leistungsfähiges Werkzeug für die Forschung

„Dies war eine der ersten erfolgreichen Anwendungen des Genome Editings zur Validierung eines Gens bei der Zuckerrübe“, unterstreicht Klaus Schmidt. „Nachdem wir jetzt gesehen haben, dass es funktioniert, können wir die gleichen Verfahren für andere Gene anwenden, wo der Phänotyp nicht so offensichtlich ist.“

Die Validierung von Genen ist derzeit eines der wichtigsten Anwendungsgebiete des Genome Editings bei KWS. Alle Methoden des Genome Editings werden nach den rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU derzeit allerdings als gentechnische Veränderung betrachtet, was ihre Nutzung für die Produktentwicklung effektiv behindert.

Die Genvalidierung ist zudem ein wichtiges Werkzeug für Züchter, etwa bei der Entwicklung von Resistenzen. Natalja Beying verweist auf ein weiteres Gemeinschaftsprojekt mit Britta Schulz, das auf die Entwicklung einer Resistenz gegen den durch die Luft übertragenen Schimmelpilz Fusarium abzielt: „Wir haben mit dem Knock-out eines einzigen Gens Pflanzen anfällig für einen Befall mit Fusarium gemacht.“ Mit dieser Information lassen sich molekulare Marker etwa für das funktionierende Gen einsetzen, um gegen diesen Erreger resistente Individuen in früheren Entwicklungsphasen auszuwählen. „Genome Editing eignet sich besonders, wenn die Funktion eines bestimmten Gens verifiziert werden soll“, bestätigt Britta Schulz. |

Info

Was ist Genkartierung?

Um eine Genkarte zu erstellen, ist es erforderlich, in mehreren Schritten eine große Zahl genetisch unterschiedlicher Individuen zu analysieren und eine ausreichende Zahl von DNA-Markern zu identifizieren. Marker sind DNA-Segmente, deren Lokalisation im Genom bekannt ist und die mit einem spezifischen Merkmal verknüpft sein könnten.

Dietrich Borchardt veranschaulicht die Genkartierung mit dem Bild einer Stadt: Stellen Sie sich die Arme der Chromosomen als Straßen vor und die Gene als Häuser an diesen Straßen. Die Menschen in den Häusern entsprächen dann den relevanten Genfunktionen für die Merkmale, an denen Interesse besteht, während die Marker als „stationäre Kameras“ die Bewegungen der Menschen auf den Straßen überwachen. Gleichzeitig dienen die Marker als Orientierungspunkte auf der Karte.

Die Genkarte ist ein wichtiger erster Schritt für alle weiteren Genomanalysen wie die Genvalidierung. Genkarten bilden die Grundlage für die markerunterstützte Selektion: Dabei werden Marker von Interesse aus der Pflanzen-DNA analysiert, um Individuen auszuwählen, welche die gewünschten Merkmale oder Kombinationen von Merkmalen tragen. |


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