Arbeit

Zuckerrüben

Take Beet Beyond Borders

Zucker aus der Wüste – mit Rüben von KWS

Strategische Weichenstellung in Ägypten: Das Land mit 100 Millionen Einwohnern will sich zukünftig selbst mit Zucker versorgen und setzt dabei voll auf den Anbau von Zuckerrüben. Dazu wird eine Milliarde Dollar in das Megaprojekt Canal Sugar investiert und in der Wüste die größte Zuckerfabrik der Welt gebaut. Parallel dazu wird der Anbau von Zuckerrüben massiv ausgeweitet. Sorten von KWS spielen für den Erfolg eine wesentliche Rolle. Im Interview mit KWSintern beschreibt Islam Salem, Geschäftsführer von Canal Sugar, das Projekt.

Was waren die Hauptgründe, das Projekt Canal Sugar ins Leben zu rufen?

Ägypten ist derzeit noch auf den Import von Zucker angewiesen: Wir führen pro Jahr mehr als eine Million Tonnen Rohzucker ein, hauptsächlich aus Brasilien. In Ägypten leben 100 Millionen Menschen und die Bevölkerung wächst um zwei Prozent pro Jahr. Da liegt es nahe, dieses Zuckerdefizit in einem noch dazu wachsenden Markt mit lokal erzeugtem Zucker zu verringern.

Warum setzt Ägypten auf den Anbau von Zuckerrüben?

Seit den späten 1970er-Jahren werden in Ägypten Zuckerrüben angebaut, wobei Ertrag und Zuckergehalt kontinuierlich steigen. Die Einführung von monogermen Sorten von Firmen wie KWS vor nicht einmal zehn Jahren hat viel Aufmerksamkeit erregt. Gerade in den Wüstenregionen mit sandigen Böden, großen Flächen, modernen Anbaumethoden und Bewässerungssystemen haben sich die monogermen Sorten gut bewährt. Ägypten hat wenig Wasserressourcen, und Zuckerrüben benötigen deutlich weniger Wasser als Zuckerrohr, um ein Kilogramm Trockenmasse zu produzieren. Bei uns wird ein Feld normalerweise zweimal im Jahr bestellt: mit einer Winter- und einer Sommerkultur. Während Zuckerrohr das ganze Jahr über auf der Fläche steht, benötigt die Zuckerrübe sechs bis sieben Monate im Winterhalbjahr. Danach kann die Fläche mit einer Sommerkultur bestellt werden.

Das Projekt Canal Sugar

Canal Sugar ist ein integriertes Agrarindustrieprojekt, das die Wertschöpfungskette vom Anbau der Rüben bis zur Verarbeitung und Lagerung von Zucker umfasst. Dazu werden in der Region Al-Minya in Mittelägypten, 320 Kilometer südlich von Kairo, große Flächen von Wüstenboden in Ackerland umgewandelt. Mit der anschließenden Bewirtschaftung von jährlich 50.000 Hektar mit Zuckerrüben in einer zweijährigen Fruchtfolge ist es das größte landwirtschaftliche Projekt in Ägypten seit 1952. Im Rahmen des Projekts wird die weltweit größte Fabrik zur Verarbeitung von Zuckerrüben gebaut und betrieben. Die jährliche Produktionskapazität wird bei bis zu 950.000 Tonnen reinen weißen Zuckers liegen.
Mit dem Projekt Canal Sugar werden nicht nur neue Flächen in der Wüste erschlossen und für die Landwirtschaft nutzbar gemacht. Zusätzlich sollen viele Kleinbauern durch den Anbau von modernen Zuckerrübensorten eine bessere wirtschaftliche Perspektive bekommen. Das Einbinden der lokalen Landwirte ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Bislang sind in Ägypten hauptsächlich noch multigerme (mehrkeimige) Sorten im Anbau. Bei ihnen entwickeln sich aus einem einzelnen Saatkorn mehrere Pflanzen, die mühsam von Hand vereinzelt werden müssen. Damit die Umstellung auf moderne monogerme (einkeimige) Sorten funktioniert, müssen die Landwirte entsprechend geschult werden.
Für KWS ist das Projekt ein wichtiges Zeichen, dass die Zuckerrübe in Ländern wie Ägypten entscheidende Vorteile im Anbau gegenüber dem Zuckerrohr hat, und zwar für Landwirte und die Zuckerproduzenten gleichermaßen. Auch die langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Handelsunternehmen Fine Seeds International zahlt sich aus. Das Motto der Business Unit „Take Beet Beyond Borders“ wird mit der Zusammenarbeit mit Canal Sugar deutlich sichtbar. |

Was sind die größten Herausforderungen beim Anbau von Zuckerrüben?

Der traditionelle Zuckerrübenanbau im Niltal von vielen Tausend Kleinstbetrieben ist durch veraltete Anbaumethoden gekennzeichnet. So werden überwiegend multigerme Sorten mit viel Handarbeit angebaut und über Furchen bewässert. Um die Kapazität der Anlage voll auszuschöpfen, müssen wir große Flächen in der Wüste mit schwerem Gerät und großem Aufwand in landwirtschaftliche Flächen umwandeln. Um die Zuckererträge zu steigern, werden wir dort moderne monogerme Sorten und Anbaumethoden nutzen. Die ersten Resultate sind sehr vielversprechend.

Wer sind die Anteilseigner am Projekt?

Canal Sugar gehört zu siebzig Prozent Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, während die ägyptische Al Ahly Capital Holding zu dreißig Prozent beteiligt ist.

Welche Dimensionen hat das Projekt?

Zu dem Projekt gehören rund 76.000 Hektar Land, um eine zweijährige Fruchtfolge mit Zuckerrüben zu etablieren. Mehr als 50.000 Hektar Zuckerrüben werden über Kreisberegnung bewässert. Davon wurden bereits 25.000 Hektar Land für den Anbau vorbereitet. In dieser Saison werden wir 5.000 Hektar auf eigenem Land anbauen. Bei voller Auslastung wird die Zuckerfabrik 150 Tage im Jahr rund 5,4 Millionen Tonnen Zuckerrüben verarbeiten. Die Zuckerfabrik hat ab April 2021 zwei Extraktionstürme im Einsatz, die jeweils 18.000 Tonnen Zuckerrüben pro Tag verarbeiten können. Auf 16 hydraulischen Anlagen können Lkw entladen werden. Die Anlage ist auf einer Fläche von zwei Quadratkilometern errichtet. Wir haben außerdem das größte Zuckersilo der Welt mit einer Gesamtlagerkapazität von 417.000 Tonnen. Es hat die Form eines Kegels, dessen Spitze 65 Meter unter der Erdoberfläche liegt. Über der Erdoberfläche ragt das Lager vierzig Meter hinaus und hat einen Durchmesser von 124 Metern.

Islam Salem: „Wenn Sie mit Zuckerrüben zu tun haben, kommen Sie an KWS nicht vorbei.“

Bitte geben Sie uns einen Ausblick auf die kommenden Jahre.

Wir planen eine dritte Linie, wenn wir eine nachhaltige Versorgung mit Rüben für unsere Verarbeitungskapazitäten sichergestellt haben. Die Rüben kommen von unseren eigenen Flächen, und wir haben bereits Verträge mit 10.000 Landwirten und planen Verträge mit insgesamt 50.000 bis 60.000 Landwirten. Die Erträge müssen weiter steigen, hierbei setzen wir auch auf die Sorten von KWS. Unseren Rübenanbauern wollen wir den Zugang zu monogermen Sorten ermöglichen sowie Know-how über Best Practice im Zuckerrübenanbau mit ihnen teilen. Das stärkt die Position der Zuckerrübe und die Profitabilität, speziell von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben. Außerdem wollen wir ihnen helfen, die richtigen Maschinen für ihre kleinen Felder zu finden. Die Zuckerrübe hat nicht nur eine große Bedeutung für uns als Zuckerproduzenten, sondern sie stellt auch eine gute Chance für große wie kleine Investoren dar, die Wüstenland in landwirtschaftlich nutzbare Flächen umwandeln wollen.

Mitten in der Wüste wird Canal Sugar rund 5,4 Millionen Tonnen Zuckerrüben verarbeiten.

Den Zucker lagert Canal Sugar im weltgrößten Zuckersilo.

Architektonisch eingebettet: Gläsernes Gebäude mit sandfarbenem Sonnenschutz.

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Thema Capacity-Development: Was sind die Erwartungen an das Projekt, um den Zuckerrübenanbau durch eine große Anzahl von Kleinlandwirten zu optimieren?

Unser Traum ist, dass wir die Kleinlandwirte dazu bewegen können, sich in Genossenschaften zusammenzuschließen. Wir sprechen hier von einem halben bis fünf Hektar pro Farm. Aus logistischer Sicht ist es für uns nahezu unmöglich, mit jedem einzelnen von ihnen in direktem Kontakt zu stehen. Wenn sie sich in Genossenschaften zusammenschließen, haben sie viel besseren Zugang zu Know-how und Ressourcen, um ihre eigenen Entscheidungen treffen zu können, welche Sorten sie anbauen, welchen Dünger und welche Pflanzenschutzmittel sie einsetzen wollen.

Wie sind Sie auf KWS gekommen?

Im Jahr 2012, als unser Projekt startete, hatten wir Unterstützung von Südzucker. Wir besuchten zusammen eine Farm 150 Kilometer nordöstlich von Kairo, und die Zuckerrüben dort sahen fantastisch aus. Uns wurde gesagt, das sei eine monogerme Sorte von KWS. Wenn Sie mit Zuckerrüben zu tun haben, kommen Sie an KWS nicht vorbei. Auch wenn andere Saatgutzüchter auf uns zugekommen sind: Entscheidend ist die bereits seit vielen Jahren bestehende Partnerschaft von KWS mit Fine Seeds in Ägypten. Fine Seeds und KWS bieten technische Unterstützung an und informieren uns detailliert über Ertragsergebnisse der Sorten. Dies gibt uns die Gewissheit, dass die KWS Sorten bei uns gut wachsen. Wir vertrauen einander und wir haben die gleiche Wellenlänge. |

KWS BEETROMETER®

Innovation im Praxiseinsatz

Canal Sugar setzt in seinen Anlagen das KWS BEETROMETER® ein: Unser innovatives System analysiert die Rübenqualität schneller und effektiver als herkömmliche Messmethoden.
Wenn Canal-Sugar-Geschäftsführer Islam Salem über das KWS BEETROMETER® spricht, wird er euphorisch: „Das System liefert uns Resultate in dreißig Sekunden – das ist fantastisch“, schwärmt er von der Innovation, die in der weltweit größten Zuckerfabrik zum Einsatz kommt. Elton Carvalho, bei KWS als Project and Sales Manager in der Business Unit Zuckerrübe mit dem System betraut, freut sich, dass „die erfolgreiche Praxisanwendung des neuen Analyseverfahrens unsere Innovationskraft bestätigt“. Im Übrigen nicht zum ersten Mal: Auch in der American Crystal Sugar Company, dem größte Rübenzuckerproduzenten der USA werden sechs KWS BEETROMETER® seit drei Jahren eingesetzt.

Canal Sugar setzt auf das KWS BEETROMETER®

Warum Analyse nötig ist

Messmethoden wie jene des KWS BEETROMETER® sind notwendig, weil der Erfolg im Zuckerrübenanbau und in der Zuckerrübenverarbeitung maßgeblich vom Zuckergehalt in der Rübe abhängt. Darüber hinaus gibt es weitere Inhaltsstoffe, die die Effizienz der Rübenverarbeitung in der Fabrik beeinflussen können. Diese Qualitätsmerkmale können je nach Anbaugebiet der Zuckerrüben variieren.
Um diese wichtigen Parameter zu bestimmen, bedurfte es bislang aufwendiger Messmethoden. Anders ist das mit dem von KWS entwickelten System: Statt Zuckerrüben zu Brei zu verarbeiten, Teilproben zu entnehmen und diese in einem chemischen Labor zu analysieren, verarbeitet und untersucht das KWS BEETROMETER® die Rüben vollautomatisch.
Dazu werden Rübenproben von zwanzig bis hundert Kilogramm zunächst nach einem von KWS entwickelten Verfahren in gleich große Stücke zerkleinert. Anschließend werden mittels eines Nah-Infrarot-Spektrometers (NIRS) und einer kundenspezifischen Kalibration der Zuckergehalt und andere Qualitätsparameter ermittelt. Das System arbeitet dezentral und vollautomatisch, rund um die Uhr und spart Zeit sowie Personalaufwand. Zudem benötigt es keinerlei Chemikalien.

Zehn Jahre Entwicklungszeit

Ein Team von KWS hat das BEETROMETER® über einen Zeitraum von zehn Jahren entwickelt. Die Komponenten und Konstruktionsleistungen werden von zwei Spezialisten auf ihrem Gebiet geliefert: Das Unternehmen Putsch® Group mit seiner Erfahrung in der Zuckerindustrie stellt die Hardwareeinheit her. Der Messsystemlieferant Polytech GmbH liefert die Messsonde und das Spektrometer.
Mit über fünf Millionen Proben hat das KWS BEETROMETER® eine Vielzahl an Sorten und Linien in der Zuckerrübenzüchtung für viele verschiedene Regionen analysiert und damit das Messsystem kontinuierlich kalibriert. Die modulare, flexible Bauweise ermöglicht sowohl den stationären Einsatz in Zuckerfabriken als auch den mobilen Einsatz, beispielsweise auf Erntemaschinen im Feld. |

ONLINE

Mehr Informationen gibt es auf der KWS BEETROMETER® Website

Zum Bericht über das KWS BEETROMETER® in der KWSintern-Ausgabe 4/2019 |


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