Interview
„Methode gilt als sicher“
Aurélie Jouanin ist seit 2018 bei KWS und arbeitet zusammen mit einer weiteren Wissenschaftlerin und einem Team von fünf technischen Assistentinnen an einem Ansatz zur Anwendung von Genome Editing bei Zuckerrüben. Wir trafen sie, um mit ihr über diese häufig missverstandene Methode und ihre Gedanken zu deren Vorteilen für die zukünftige Landwirtschaft zu sprechen.
Aurélie Jouanin im KWS Genome-Editing-Labor
Wann haben Sie sich das erste Mal für Genome Editing interessiert?
Schon als Kind habe ich mich dafür interessiert, neue Blumensorten zu kreieren und Pflanzen im Garten zu kreuzen. In der Schule war ich im Unterricht fasziniert von Genetik, und ich beschloss, in der Pflanzenbiotechnologie zu arbeiten.
Welche Vorteile sehen Sie in dieser Methode für die Landwirtschaft?
Der Nutzen von Genome Editing für die Landwirtschaft ist enorm. Die Methode könnte dazu beitragen, Nutzpflanzen zu züchten, die resistent gegen Schädlinge und Krankheiten oder widerstandsfähig gegen die Folgen des Klimawandels sind. Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels und der Notwendigkeit, den Einsatz von Pflanzenschutzmittel zu reduzieren, könnte diese Methode Pflanzen hervorbringen, die die Folgen für die Umwelt verringern und gleichzeitig langfristig die Ernährungssicherheit rund um den Globus verbessern. Diese Pflanzen könnten auch die Produktionskosten für den Landwirt senken – weniger Fungizide, weniger Kraftstoff für den Traktor zum Sprühen, weniger Zeitaufwand auf dem Feld. Genome Editing liefert zwar nicht alle Antworten, es ist jedoch ein vielversprechendes Werkzeug.
Kritiker der Methode sprechen häufig über die Sicherheit der Anwendung. Was meinen Sie dazu?
Wie bei jeder neuen Methode gibt es Bedenken. Das ist ganz normal. Allerdings wurde diese Methode von mehreren unabhängigen Labors und Züchtern als noch sicherer als die konventionellen Methoden, die derzeit in der Züchtung zum Einsatz kommen, bezeichnet. Ich stimme dieser Beurteilung vollkommen zu. In meinen Augen gibt es keine Sicherheitsprobleme bei dieser Methode, solange sie richtig eingesetzt wird.
Genome Editing wird manchmal als umstrittene neue Wissenschaft gesehen. Was sind Ihre eigenen Erfahrungen?
In meinen Gesprächen mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen und Ländern über meine Arbeit ist sie nicht so umstritten. Wenn ich jedoch mit Nichtwissenschaftlern wie Familie oder Freunden spreche, wird sie ziemlich kontrovers diskutiert. Meiner Meinung nach ist dafür der Hauptgrund ein Mangel an klarer Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit in Bezug auf die Methode und die schnelle Verbreitung von Falschinformationen, insbesondere über soziale Netzwerke. Dadurch wird es eher zu einem emotionalen als zu einem rationalen Thema.
Warum, glauben Sie, sind die Reaktionen eher emotional als rational, wenn wir über Genome Editing für Pflanzen sprechen?
Ich merke, dass die Menschen keinen unmittelbaren Nutzen der Methode sehen, wie sie es bei der gleichen Methode im medizinischen Bereich tun. Deshalb hat es mich gefreut, dass mein Promotionsthema wirklich mit einem direkten Nutzen für den Menschen verbunden war – der Anwendung von Genome Editing, um Weizen für Menschen mit einer Gluten-Unverträglichkeit (Zöliakie) zu entwickeln. Normalerweise reden wir über die Vorteile für die Umwelt oder die Landwirte, aber die Verbraucher berührt das nicht direkt. In den letzten Jahren haben die Sorgen wegen des Klimawandels zugenommen – vielleicht wird das die Sichtweise der Öffentlichkeit in Bezug auf diese Methode verändern.
Es gibt auch den Standpunkt, dass sie bei einer Deregulierung nur von großen Unternehmen genutzt werden könnte – aber das Gegenteil ist der Fall! Die Anwendung von Genome Editing ist nicht kostspielig. Daher können es, wenn es nicht als GVO reguliert ist, auch kleine Unternehmen nutzen. Das trägt dazu bei, dass die Saatgutpreise niedrig bleiben. Die finanziellen Auswirkungen einer Regulierung dieser Methode als GVO können nur die großen Unternehmen stemmen.
Aurélie Jouanin ist froh, dass sie ihre Stelle bei KWS bekommen hat. Denn die Alternative wäre nur gewesen, in die USA auszuwandern.
Es ist die Rede davon, dass junge Wissenschaftler, die sich für dieses Gebiet interessieren, die EU verlassen. Was sind Ihre Erfahrungen?
Meine derzeitige Stelle wurde direkt nach der EuGH-Entscheidung ausgeschrieben, und ich dachte mir: Ich muss diese Stelle unbedingt bekommen, denn es ist wahrscheinlich die letzte, die es in Europa geben wird. Ich wollte in Europa bleiben und sah nicht ein, warum ich nur wegen dieser Regelung in die USA gehen sollte. Daher war ich sehr froh, bei KWS anfangen zu können. Aber ich weiß von mehreren Freunden, dass die Alternative ist, entweder in die USA zu gehen, wenn sie für ein Unternehmen arbeiten wollen, oder in Europa zu bleiben und dann hier in der Wissenschaft zu arbeiten – für die Wissenschaft wurden jedoch die Mittel im Zusammenhang mit Genome Editing gestrichen oder reduziert. Es ist ein echter Verlust von Talenten. Herausragende Wissenschaftler, die in Europa bleiben wollten, um am Genome Editing von Pflanzen zu arbeiten, sind nun gezwungen, das Land zu verlassen oder ihr Fachgebiet zu wechseln.
Was sind einige der zukünftigen Entwicklungen und Herausforderungen des Genome Editings in der Landwirtschaft?
Ein konkretes Anwendungsbeispiel ist das PILTON-Projekt, bei dem mithilfe von Genome Editing Weizenpflanzen gezüchtet werden, die gegen verschiedene Pilze resistent sind.
Aber es gibt noch einige technische Probleme zu lösen, verschiedene Genotypen lassen sich weniger effektiv mit Genome Editing bearbeiten als andere. Wir können also nicht sagen, dass alles für jede Kulturpflanze möglich ist, denn mit diesem Problem sind wir im Moment konfrontiert: Manche lassen sich einfach überhaupt nicht verändern! Je mehr Unterstützung wir von den Regierungen und der Bevölkerung bekommen, desto mehr kann in diese Bereiche investiert werden, um die technischen Probleme zu lösen. Unternehmen werden nicht investieren, wenn sie wissen, dass es in der Öffentlichkeit keine Akzeptanz für die Endprodukte gibt.
Warum haben Sie sich entschieden, beim KWS Genome Editing mitzumachen?
Ich wollte immer für eine Saatgutfirma arbeiten, weil ich die Auswirkungen meiner Arbeit in der Landwirtschaft sehen wollte. Für mich ist der interessanteste Aspekt zu sehen, inwieweit Genome Editing dazu beiträgt, den Mechanismus einer Pflanze zu entdecken oder zu verbessern. Bei jedem neuen Projekt ist es sehr spannend, all die Vorteile zu sehen, die mit dieser Methode erzielt werden können. Das ist der technische Teil. Auf persönlicher Ebene ist der Kontakt mit anderen Kolleginnen und Kollegen einfach wunderbar. Gespräche und Kooperationen finden nicht nur mit den Forscherinnen und Forschern, sondern auch mit Kolleginnen und Kollegen aus der Züchtung und anderen Bereichen des Unternehmens statt. Dieser Austausch macht mir wirklich Spaß. |
Bei Fragen zum SDN-1-Genome-Editing-Service für Zuckerrüben wenden Sie sich bitte an die Modulkoordinatorin Aurélie Jouanin: GenomeEditingSB@kws.com
INFO
Bleiben Sie dran! In der nächsten Ausgabe der KWSintern werden wir das Thema Genome Editing aus einem breiteren Blickwinkel betrachten und uns auf die weltweiten Bemühungen mit dieser vielversprechenden neuen Methode konzentrieren. |
News
Einführung eines neuen Genome-Editing-Service
Bei KWS verwenden wir das CRISPR-Verfahren für die gezielte Veränderung von Genombereichen von Pflanzen. Dies umfasst Geninaktivierungen (SDN-1), Genanpassungen (SDN-2) und Geninsertionen (SDN-3). Seit 2015 entwickelt und implementiert KWS diese Technologien für unsere wichtigsten Nutzpflanzen. Wichtige Anwendungsbereiche sind aktuell die Aufklärung von Genfunktionen und Pflanzenmerkmalen. Darüber hinaus hat Genome Editing auch das Potenzial, die Produktentwicklung von Pflanzen mit neuen Merkmalen zu ermöglichen beziehungsweise zu beschleunigen. Im Jahr 2019 wurde im KWS Gateway Research Center in St. Louis ein Routine-SDN-1-GenEd-Service für Mais gestartet, der inzwischen für viele Projekte genutzt wird. Jetzt freuen wir uns, einen SDN-1-GenEd-Service für Zuckerrüben ankündigen zu können – ein mehrjähriges gemeinschaftliches F&E-Projekt trägt Früchte. Diese neue Inhouse-Service-Plattform wird allen Kolleginnen und Kollegen aus F&E angeboten, die zum Zwecke der Genvalidierung, Genidentifikation oder Produktentwicklung Gene in Zuckerrüben ausschalten wollen.
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