Forschung

Biotechnologie

Moderne Pflanzenzüchtung

Visionen werden
Wirklichkeit

Die Pflanzenzüchtung hat sich durch neue Erkenntnisse in der Biotechnologie seit den 1980er-Jahren rasant entwickelt. Hindernissen zum Trotz erzielte KWS große Erfolge – unter anderem mit der Zuckerrübe in den USA.

Als 1983 die erste Publikation zu einem gelungenen Gentransfer von einem Bakterium in eine Pflanze erschien, veränderte das die Pflanzenzüchtung weltweit grundsätzlich. KWS erkannte die Tragweite dieses Meilensteins sehr schnell. Die Vision war, dass die Biotechnologie Lösungsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Probleme bieten könnte, die mit klassischer Züchtung gar nicht oder nur sehr langwierig zu erreichen wären. Damals fiel der Startschuss für einen Wettlauf mit der Konkurrenz in der eigenen Branche, aber vor allem mit den großen Playern der Agrochemie, die sich nun plötzlich ebenfalls für die Pflanzenzüchtung interessierten und aus ihrer Pharmaforschung bereits wesentlich mehr biotechnologisches Know-how besaßen.

KWS reagierte auf diese neue Situation und gründete 1984 mit der PLANTA Angewandte Pflanzengenetik und Biotechnologie GmbH eine eigene Tochtergesellschaft für alle biotechnologischen Forschungsprojekte. „Wir fingen damals mit anderthalb Stellen an“, erinnert sich Reinhard Nehls. Der damals von der universitären Forschung kommende promovierte Molekularbiologe war von Anfang an dabei und beendete seine berufliche Karriere 2017 als Head of Research. Die PLANTA wurde 2011 aus organisatorischen Gründen aufgelöst und mit ihren Forschungsaktivitäten und den inzwischen 130 Mitarbeitenden in die Muttergesellschaft reintegriert.

Wachstum an Know-how

Nehls kann viel erzählen über die biotechnologischen Forschungsaktivitäten bei KWS in den vergangenen 35 Jahren. Der für die praktische Pflanzenzüchtung seit Anbeginn wichtige Bereich der Zell- und Gewebekultur ging in der PLANTA auf. Die Technologie der molekularen Marker spielt eine große Rolle. Parallel hatten Reinhard Nehls und sein stetig wachsendes Team anfangs eine gewisse Narrenfreiheit. Sie schufen unter anderem die Grundlagen für die Transformation von Zellen verschiedener Kulturpflanzen. „Da haben wir sehr viel mit Versuch und Irrtum gearbeitet. Es gab niemanden, der in diesem Bereich bereits die Kompetenz hatte, uns zu helfen. Wir saßen schon ein bisschen in einem Elfenbeinturm. Das ist heute ganz anders, aber das Know-how für zielgerichtetes Arbeiten ist eben auch immens gewachsen seitdem.“

Ein großer Erfolg gelang den Forscherinnen und Forschern um Nehls innerhalb weniger Jahre mit der gentechnischen Entwicklung einer stabil virusresistenten Zuckerrübe. Praktisch umgesetzt wurde das hochwirksame Prinzip dennoch bis heute nicht: Der politische und gesellschaftliche Gegenwind, den die Gentechnik im relevantesten Markt, Europa, erwartete, ließen die erforderlichen aufwendigen Zulassungsverfahren nicht als sinnvolle Investition erscheinen. Dazu war es zwischenzeitlich gelungen, wenigstens virustolerante Sorten auch klassisch zu züchten.

KWS investiert einen weit höheren Anteil des Umsatzes in die Forschung als andere Unternehmen der Branche.

Außerdem wiesen die wirtschaftlichen Interessen der Agrochemieunternehmen, die als Kooperationspartner in der Biotechnologie gebraucht wurden, in eine ganz andere Richtung. Ihre Erwartung an die Saatzuchtunternehmen lautete, mit gentechnischen Verfahren herbizidtolerante Pflanzen zu entwickeln. Bei der Zuckerrübe hat KWS den Wettlauf gegen die Konkurrenz gewonnen. 1985 begannen die Forschungen zu Glyphosat- beziehungsweise Glufosinat-toleranten Rüben. Sie basierten auf molekularbiologisch hochkomplexen Vorgängen und mussten im Zuge des gesellschaftlichen Diskurses immer strengeren regulatorischen Vorgaben entsprechen. So dauerte es 22 Jahre, bis 2007 schließlich die nur für den nordamerikanischen Markt zugelassenen Roundup Ready®-Sorten verkauft werden konnten. Der Marktanteil dieser KWS Sorten liegt dort heute bei über neunzig Prozent.

Die biotechnologischen Forschungsprojekte beschränkten sich in den 1980er-, 1990er- 2000er-Jahren aber nicht nur auf die Zuckerrübe, der damals viele eine eher schwierige Zukunft voraussagten. Parallel wurden phasenweise andere Fruchtarten wie Raps, Kartoffeln und Getreide bearbeitet. Als das Maisgeschäft zunehmend erfolgreicher wurde, war das Unternehmen als Biotech-Lizenznehmer für die dominanten Unternehmen im amerikanischen Maismarkt (Monsanto und Syngenta) interessant. Um unternehmerische Unabhängigkeit zurückzugewinnen, gründete KWS 2013 zusammen mit Limagrain das Joint Venture Genective mit dem Ziel, zusammen mit Biotech-Start-ups, zum Beispiel AgBiome, eigene pflanzengenetische Merkmale zu entwickeln. Dieses geschah bis 2019 in Einbeck, St. Louis und Chappes, seitdem in Genective-eigenen Labors in den USA.

Einheit aus klassischer Züchtung und moderner Forschung

Während seiner aktiven Zeit im Vorstand und im Aufsichtsrat der KWS war Andreas Büchting ein Garant dafür, dass KWS weit über dem branchenüblichen Prozentsatz von 10 bis 15 Prozent des Gruppenumsatzes in Forschung und Entwicklung investierte. „Wir aus der biotechnologischen Abteilung haben mit den anderen um die Budgets konkurriert“, erinnert sich Nehls, „aber Andreas Büchting hat uns auch Raum für Dinge gegeben, von denen völlig unklar war, ob sie jemals praktisch relevant sein würden.“

Reinhard Nehls nennt als größten Wandel zwischen seiner Anfangszeit und dem Ende bei KWS „das Verständnis dafür, dass klassische Züchtung und Forschung mit allen Mitteln und Möglichkeiten nicht mehr als zwei irgendwie entfernt voneinander stehende Pole wahrgenommen wurden, sondern irgendwann als Einheit verstanden wurden. Jeder konnte und kann seine Expertise zum Ergebnis beitragen.“ |


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