Klein Wanzleben
Alte Heimat
neu belebt
Schon vor der deutschen Wiedervereinigung suchte KWS den Kontakt zum Ursprungsstandort in Klein Wanzleben. Nach der Wende entwickelten sich vielfältige Aktivitäten – über die Zuckerrübe hinaus.
Schon vor der deutschen Wiedervereinigung suchte KWS den Kontakt zum Ursprungsstandort in Klein Wanzleben. Nach der Wende entwickelten sich vielfältige Aktivitäten – über die Zuckerrübe hinaus.
Klein Wanzleben: geheimnisvoller Mythos, Ursprung unserer Familie und doch fremd zugleich. Ein Stück von uns, das uns nicht (mehr) gehörte.“ So beschrieb Andreas Büchting 2019 in der KWSintern-Sonderausgabe „Klein Wanzleben, KWS und die Wende“ seine Gefühle zum Ursprungsort der KWS. In Klein Wanzleben, dem kleinen Dorf in der fruchtbaren Magdeburger Börde, hatte Matthias Christian Rabbethge, der Urururgroßvater des scheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden, vor 176 Jahren den Grundstein der heutigen KWS gelegt. Nach der Umsiedelung und Enteignung baute die Familie das Unternehmen ab 1945 in Einbeck neu auf.
In Klein Wanzleben nahm die Zuckerrübengeschichte ihren eigenen Verlauf. Nachdem die Rote Armee den Ort Ende Juli 1945 besetzt hatte, wurden eine ganze Reihe leitender Angestellter der Rabbethge & Giesecke AG Opfer von Willkürakten der Besatzungsmacht. Hier installierte die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR das Institut für Rübenforschung (IfR). Die Versorgungslage der Bevölkerung und der Industrie mit Zucker war kritisch. Arbeitskräfte waren rar. Deshalb behielt die staatliche Obrigkeit die Forschungsarbeiten zur Zuckerrübenzüchtung über die Jahrzehnte genau im Blick. Entsprechend hoch war der Erfolgsdruck.
Dasselbe Ausgangsmaterial, schlechtere Sorten
Gestartet mit demselben Zuchtmaterial wie die Einbecker, gelang es dem Institut nach aufwendiger Selektionsarbeit von einer halben Million Pflanzen 1963, die erste einkeimige Zuckerrübensorte in ganz Deutschland auf den Markt zu bringen. Trotz erheblicher finanzieller, materieller und personeller Anstrengungen bei der Entwicklung von Züchtungsmethoden und biotechnologischen Verfahren konnte die Zuckerrübenproduktion der DDR jedoch zu keiner Zeit den Anschluss an die Weltspitze finden. Die Leistungen der eigenen Sorten lagen in den 1980er-Jahren durchschnittlich acht bis zehn Prozent unter denen der besten internationalen Sorten.
Klein Wanzleben ist wieder ein wichtiger Baustein von KWS.
Deshalb hielten die Verantwortlichen nun Ausschau nach geeigneten Geschäftspartnern. Angesichts der historischen Verbindungen lag es nahe, Kontakt zur KWS aufzunehmen. Nach ersten vorsichtigen Gesprächen während einer Messe 1982 reiste im Juni 1985 eine erste Delegation aus Einbeck nach Klein Wanzleben – mit dabei war auch Andreas Büchting. Anders als sein Vater Carl-Ernst Büchting hatte er wenig Berührungsangst bei der Zusammenarbeit mit den Pflanzenzüchtern aus dem sozialistischen Nachbarland.
Inoffizielle Zusammenarbeit
Dieses Treffen markierte den Auftakt für eine inoffizielle Zusammenarbeit. Zu den gemeinsamen Aktivitäten gehörten neben dem Austausch von Saatgut für Leistungsprüfungen und zur Vermehrung in geringem Umfang auch züchterische Aktivitäten. Zu den regelmäßigen Treffen hüben wie drüben schickte das IfR drei Reisekader, die alle auch als inoffizielle Mitarbeiter bei der Stasi geführt waren. Sie berichteten regelmäßig an ihren Führungsoffizier über ihre fachlichen Erkenntnisse aus diesen Besuchen. Beide Seiten erzielten aus dieser Zusammenarbeit keinen wirtschaftlichen Nutzen, aber die bereits existierende Vernetzung erwies sich für die weitere Zukunft des Zuckerdorfs Klein Wanzleben nach der Wende als sehr vorteilhaft.
Mit der Grenzöffnung am 9. November 1989 begann sofort ein reger Austausch über eine zukünftige Zusammenarbeit. Damit KWS an ihren Ursprungsstandort zurückkehren konnte, mussten jedoch zunächst einige rechtliche und organisatorische Hürden genommen werden, denn das IfR war mit seinem mobilen und immobilen Gut Volkseigentum der DDR. Anfang 1991 kehrte KWS mit der Gründung der ZKW Züchtungsgesellschaft mbH Klein Wanzleben nach 47 Jahren wieder zu ihren Wurzeln zurück.
Millioneninvestitionen in den neuen Standort
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht zwingend erforderlich, war die emotionale Bindung verschiedener Familienmitglieder zu Klein Wanzleben, allen voran des hier geborenen Carl-Ernst Büchting, noch so stark, dass die notwendigen Investitionen in diesen neuen Standort nie ernsthaft infrage gestellt wurden. Auch für Andreas Büchting war es selbstverständlich, die Familiengeschichte hier ganz konkret weiterzuführen, an diesem Ort, der für ihn bis zu seinem ersten Besuch durch viele Kindheitserzählungen eher ein abstrakt sagenumwobener war.
Gut zwanzig Millionen Euro sind in den vergangenen 33 Jahren hier investiert worden. Anfangs hatten der Abriss und die Sanierung vorhandener Gebäude (Verwaltungsgebäude, Saatgutaufbereitung), der Neubau eines Rübenlabors und die Modernisierung des technischen Equipments Priorität. Zu den Hauptaufgaben der Station zählen heute unter anderem Leistungsprüfungen, die Erzeugung von Zuckerrübenbasissaatgut im Freiland und in Folienzelten, die Anzucht von Stecklingen und Feldaufgangsprüfungen und die Analyse von Rübenbreiproben. Seit der Übernahme der APZ Anhaltinischen Pflanzenzucht GmbH in Bernburg 2007 gehört auch Maiszüchtung in das Portfolio vor Ort. Ein landwirtschaftlicher Großbetrieb mit 1600 Hektar flankiert diese Aktivitäten mit dem Ziel, praxisnah KWS Sorten und Know-how für die Kundenakquise zu nutzen. Und so ist Klein Wanzleben 32 Jahre nach der Wiedervereinigung wieder ein attraktiver und wichtiger Baustein der KWS Familie. |
© KWS SAAT SE & Co. KGaA 2025