Forschung und Entwicklung

Zuckerrüben

Einhellige Meinung von Andreas Loock (links) und seinem Nachfolger Jens Lein: „Das Team ist für unseren Erfolg extrem wichtig.“

Staffelübergabe

Kooperativ erfolgreich

Andreas Loock gibt die Leitung der Zuckerrübenzüchtung an Jens Lein ab. Im Interview sprechen sie über aktuelle und zukünftige Anforderungen an unser Saatgut und weshalb die enge Zusammenarbeit zwischen BU und Forschung so wichtig ist.

KWS ist unangefochtener Marktführer bei Zuckerrübensaatgut. Was macht die Zuckerrübe für Züchterinnen und Züchter so interessant?

Andreas Loock: Zum einen die Vielfalt an Herausforderungen bei der Züchtung: Es ist nicht einfach, Zuckerertrag sowie Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge unter einen Hut zu bringen. Zum anderen sind auch die Möglichkeiten groß. Wir haben gute, effiziente Methoden, um schnell hochleistungsfähige Sorten zu entwickeln, zum Beispiel die Nutzung von Doppelhaploiden, voll automatisierte Phänotypisierungen oder die genomische Zuchtwertschätzung. Die Rübe wurde über viele Jahrzehnte stets mit den modernsten züchterischen Methoden bearbeitet. So hat die KWS den kontinuierlichen Zuchtfortschritt trotz neuer Herausforderungen realisiert – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis auf den Äckern der Landwirte.

Welches war das beeindruckendste Erlebnis in Ihrem Berufsleben?

Loock: Die Einführung von Round­up­-Ready®-Rüben in den USA war für mich das beeindruckendste Erlebnis. Der Markt hatte hungrig darauf gewartet, denn die Rübe war unter Druck. Die Landwirte verlangten dringend nach herbizidtoleranten Zuckerrübensorten, die eine Unkrautbeseitigung von Hand unnötig machten. Alle anderen Kulturpflanzen in den dortigen Fruchtfolgen waren mit dieser Herbizidtoleranz ausgestattet. In Zusammenarbeit mit unserer Forschung und Regulatory Affairs haben wir in kürzester Zeit die passenden Sorten entwickelt und innerhalb von zwei Jahren den nordamerikanischen Markt auf dieses neue System umgestellt – es war auf Anhieb ein Riesenerfolg.

Und welche Phase war besonders herausfordernd?

Loock: Für mich war die größte Herausforderung der langjährige Aufbau der sogenannten Basispools als Grundlage der Hybridzüchtung bei Zuckerrüben. Ich habe als junger Züchter mit der Entwicklung des mütterlichen Basispool-Programms begonnen und musste hochleistendes Material mit einer großen genetischen Breite für die Sortenentwicklung bereitstellen. Dieser Prozess hat viel Zeit und Geduld beansprucht mit Höhen und Tiefen. Das hat zehn Jahre gedauert. Eine anstrengende, aber auch spannende Zeit!

„Mir war immer die enge Verknüpfung zwischen
Business Unit und Forschung
wichtig.“

Andreas Loock

Wie lautet das Erfolgsrezept für die KWS Zuckerrübenzüchtung?

Loock: Mir war immer die enge Verknüpfung zwischen der Business Unit und der Forschung wichtig. Wir zogen deshalb an einem Strang und dies ist ein wichtiger Eckpfeiler für unseren Erfolg. Außerdem muss die Züchtung nah am Markt sein. Daher sind alle Züchterinnen und Züchter in einem Markt verankert und im Austausch mit der Industrie und unseren Verkaufsteams, sodass wir schnell erfahren, was die Landwirte benötigen. Kommt eine neue Anforderung aus einem Markt, können unsere Züchtung und Forschung sie schnell angehen, um Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen. Der zweite Eckpfeiler ist das erfolgreiche Züchtungsteam: Wir haben es kontinuierlich aufgebaut und über viele Jahre weiterentwickelt. Dieses hoch motivierte Team hat über die Jahre viele neue wichtige Sorteneigenschaften eingeführt und dem Markt innovative Lösungen bereitgestellt: Rizomaniaresistenzen, Nematodentoleranz, die Cercosporatoleranz CR+, CONVISO® SMART: Ohne diese Innovationen wäre die Rübe in der Fruchtfolge der Landwirte nicht mehr konkurrenzfähig. Alle entwickelten Ideen und Ansätze wurden von den verschiedenen Zuchtstationen mit großem Einsatz erfolgreich umgesetzt.

Worauf liegt in der Zuckerrübenzüchtung aktuell ein besonderer Fokus?

Jens Lein: Wir müssen uns um neue Merkmale kümmern und gleichzeitig erwarten die Landwirte einen kontinuierlichen Ertragsfortschritt. Nachhaltig produzierte Produkte stehen immer mehr im Fokus und wir müssen mit weniger chemischem Pflanzenschutz auskommen. Vergilbungsvirusresistenz und generell Insektenresistenz sind momentan die wichtigsten Themen in der Züchtung. Waren Neo­ni­co­ti­no­ide vorher ein verlässlicher Schutz, muss jetzt die Genetik dafür sorgen, dass Insekten die Pflanzen verschonen.

Welche Schwierigkeiten bereiten die Insekten?

Lein: Insekten schädigen die Pflanzen auf unterschiedliche Weise: zum einen direkt wie beim Rübenrüssler, der die Keimlinge frisst. Und zum anderen durch Übertragen von schädlichen Viren. Die Grüne Pfirsichblattlaus ist ein solcher Überträger. Wir haben acht Insektenarten identifiziert und drei Viren, die Zuckerrüben besonders schädigen. Gegen alle müssen wir neue Resistenzen finden und jeweils einzelne Resistenzprogramme aufsetzen. Das ist ein großer Aufwand, um dem Verbot einer einzelnen Gruppe von Pflanzenschutzmitteln züchterisch zu begegnen. Und es können zusätzlich und unerwartet noch neue Krankheiten auftauchen. Im Zuge des Klimawandels vermehren sich Insekten schneller oder breiten ihre Lebensräume aus. Ein Beispiel dafür ist das „Syndrome des basses richesses“ (SBR), bei dem Zikaden für die Übertragung der Erreger verantwortlich sind. SBR führt zu signifikanten Ertragsausfällen in Südwestdeutschland und in der Schweiz. Wir sind aber optimistisch, diesen Herausforderungen mit den von uns ergriffenen Maßnahmen, züchterisch erfolgreich entgegentreten zu können.
Bei den neuen, aber bereits in der Vermarktung befindlichen Produkten haben wir mit CONVISO® SMART und CR+ zwei Blockbuster-Merkmale im Markt. Momentan arbeiten wir intensiv an der Kombination dieser Merkmale, von der Landwirte deutlich profitieren werden. Erste Sorten sind dieses Jahr in die Anmeldungen gegangen.

Weiterhin gute Fahrt: Dank Züchtung soll die Zuckerrübe ein wettbewerbsfähiger Teil der Fruchtfolge bleiben.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Anbau und damit auf die Anforderungen an die Entwicklung neuer Sorten aus?

Lein: Der Anbau der Zuckerrübe ist räumlich an die Zuckerfabriken gebunden und kann folglich nicht ohne Weiteres in andere Regionen ausweichen. Wir müssen daher Züchtungsmaterial entwickeln, das auch bei den sich ändernden Umweltbedingungen die Anbauwürdigkeit der Zuckerrübe an diesen Standorten absichert. Grundsätzlich ist unser Genpool groß genug, um zu reagieren. Zusätzlich haben wir bereits vor sieben Jahren ein Zuchtprogramm für Trockentoleranz gestartet und beginnen, Material und Testsysteme in unsere Routinezuchtprogramme zu integrieren. So können Landwirte auch bei höheren Temperaturen mit längeren Trockenperioden erfolgreich Zuckerrüben anbauen.

Wie gehen Sie beim Entwickeln
 solcher Sorten vor?

Lein: Wir gehen damit gezielt in Länder wie die USA, Italien und Frankreich und evaluieren, wie sich diese Genotypen dort entwickeln – und selektieren auf geringe Ertragsverluste. Pflanzen reagieren sehr vielfältig auf Trockenstress und an der Reaktion sind viele Stoffwechselprozesse beteiligt. Hier wollen und müssen wir noch lernen, um zukünftig zielgerichteter Material identifizieren zu können. Dafür kommt wieder die von Andreas beschriebene erfolgreiche Zusammenarbeit ins Spiel: Diesen sehr grundlagenbasierten Wissensaufbau können wir vonseiten der Züchtung allein nicht sicherstellen, sehr wohl aber in enger Kooperation mit den Forschern aus dem Molecular Tool & Trait Development, dem Phenotyping und so weiter. Die nächste Herausforderung ist dann, die Daten zielgerichtet zu verarbeiten, um am Ende eine richtige Selektionsentscheidung treffen zu können. Diese wird zukünftig auch Umweltdaten wie Temperatur, Niederschläge, Bodenart, Interaktion zwischen Pflanze und Boden sowie Pflanze und Umwelt umfassen.

„Wir wollen die Zuckerrübe noch robuster machen.“

Jens Lein

Welche Eigenschaften braucht die Zuckerrübe, um auch in zwanzig oder dreißig Jahren eine wettbewerbsfähige Kulturart zu sein?

Lein: Wir wollen die Rübe gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels und für eine nachhaltiger ausgerichtete Landwirtschaft mit weniger Pflanzenschutzmitteln und geringerer Düngung noch robuster machen. Das allein ist die Herausforderung und das Arbeitsprogramm für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre. Wenn wir dies umsetzen, verbunden mit einem kontinuierlichen Zuchtfortschritt von 1,5 Prozent mehr Ertrag pro Jahr, ist die Zuckerrübe auch in den kommenden Jahrzehnten ein wettbewerbsfähiger Teil der Fruchtfolge. Spannend wird eine effiziente Unkrautkontrolle. Hier bekommen wir möglicherweise Unterstützung aus der Robotertechnologie. Aber auch das System CONVISO® SMART werden wir weiter mit Material unterstützen und möglicherweise einen Nachfolger für das Pflanzenschutzmittel finden. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung von Sorten mit deutlich höherem Zuckergehalt bei hohen Rübengewichten, denn beides ist schwierig zu kombinieren. Wenn wir dies zusammenbekommen, haben wir noch mal einen richtigen Schub.

Wie wird sich die Neuorganisation von Forschung und Entwicklung bei KWS auf die Arbeit der Zuckerrübenzüchtung auswirken?

Lein: Die Neuerungen sind im praktischen Alltag gar nicht so groß. Die Zusammenarbeit der Forscherinnen und Forscher und der BU war schon immer sehr eng. Ich sehe die Zuckerrübenzüchterinnen und -züchter hier in einer Vorbildfunktion. Grundsätzlich bringen die Neuerungen eine größere Transparenz und Klarheit in die Arbeitsorganisation der Forschung und Entwicklung. Das ist in einer wachsenden Firma besonders hilfreich, weil sich beispielsweise neuen Kolleginnen und Kollegen viel schneller die Möglichkeiten der Zusammenarbeit über Abteilungen hinweg erschließt.

Jens Lein, worauf freuen Sie sich am meisten in Ihrer neuen Rolle?

Lein: Das Team ist für unseren Erfolg ex­trem wichtig. Ich freue mich sehr, unseren kollegial-freundschaftlichen und zugleich offen-kritischen Umgang weiterzuführen. Alle unsere Zuchtprogramme sind miteinander vernetzt und mit den neuen Programmen kommt eine Menge Arbeit auf uns zu. Wir alle haben das Ziel, erfolgreiche Produkte zu entwickeln. Ich werde alles dafür tun, dass wir die Zuckerrübe weiterhin in der Erfolgsspur halten. |


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