Als Vorstandsmitglied betreut Nicolás Wielandt unser Maisgeschäft in Europa und Südamerika. 2023 kommen noch die Regionen Nordamerika und China hinzu.
Südamerika und Europa
„Eigene Hybriden sind der Schlüssel zur Profitabilität“
Seit einem halben Jahr ist Nicolás Wielandt als Vorstandsmitglied verantwortlich für unser Geschäft mit Maissaatgut in Europa und Südamerika. Im Interview nennt er Unterschiede, spricht über die Bedeutung der Hybridzüchtung und über Auswirkungen des Ukrainekriegs.
Wie fühlen Sie sich nach den ersten sechs Monaten im Vorstand?
Die Zeit war zugleich eine Herausforderung und eine große Möglichkeit, mich persönlich weiterzuentwickeln. Wenn man Teil eines bereits bestehenden Teams wird, löst das natürlich auch im Team selbst eine neue Dynamik aus. Für mich bestand neben der Sprache eine große Aufgabe darin, die „Flughöhe“ etwas zu erhöhen und gleichzeitig die Bodenhaftung zu bewahren und mir selbst treu zu bleiben. Der Krieg in der Ukraine, die Corona-Pandemie und die allgemeine makroökonomische Situation haben uns dazu veranlasst, umgehend auf diese Krisen zu reagieren.
Bis Sie in den Vorstand kamen, waren Sie hauptsächlich für die europäischen Märkte der KWS zuständig. Wo liegt der Unterschied zum Mais in Südamerika, der jetzt in Ihrer Verantwortung liegt?
Ich komme aus Chile. Brasilien und Argentinien liegen geografisch also sehr nahe an meiner Heimat. Das bedeutet zwar nicht, dass ich die Marktbedingungen dort genau kannte, aber es hilft mir auf jeden Fall, mich mit unseren Teams und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszutauschen. Sie sind letztlich der Schlüssel, um den Markt und die Bedürfnisse unserer Kunden zu verstehen.
In Europa führen wir den Markt für Silomais an und machen mit unserem neuesten Portfolio schon seit Jahren große Schritte. In Brasilien und Argentinien sind wir überwiegend im Körnermais aktiv. Unsere Marktposition entwickelt sich steil nach oben, insbesondere in Brasilien in der Safrinha- oder Wintersaison. Safrinha-Mais wird normalerweise im Februar gesät, wenn die Sojaernte abgeschlossen ist. Das Team hat es unter der Leitung von Marcelo Salles geschafft, unseren Marktanteil binnen vier Jahren von drei auf über zehn Prozent zu steigern. KWS ist damit die am schnellsten wachsende Marke in Brasilien.
Die wichtigsten Märkte in Südamerika, Brasilien und Argentinien, sind Märkte für gentechnisch veränderte Sorten. Im Vergleich zu Europa ergibt sich dadurch eine zusätzliche Herausforderung, da wir Merkmale für Insektenresistenz und Herbizidtoleranz in unser Zuchtmaterial einbringen müssen. Jedes Mal, wenn wir ein neues Merkmal einführen, müssen wir unser Hybridenportfolio anpassen. Dank der hervorragenden Arbeit von Züchtung und Agroservice verlief die jüngste Umstellung sehr gut. Wir haben schnell mit sehr stabilen und leistungsfähigen Produkten auf dem brasilianischen Markt Fuß gefasst.
Und wie sieht es in Argentinien aus?
In Argentinien ist die Situation etwas anders: Der Markt ist hart umkämpft und stärker konsolidiert. Zwischen den nordamerikanischen und den argentinischen Zuchtprogrammen gibt es in Bezug auf die erforderlichen Reifegruppen größere Überschneidungen – das kommt unseren wichtigsten Wettbewerbern zugute. Marktwachstum beobachten wir im Norden Argentiniens und rund um das traditionelle Maisanbaugebiet im Zentrum des Landes. In den kommenden Jahren müssen wir noch intensiver züchten, damit wir optimal angepasste Produkte für diese Regionen haben.
Wie wichtig ist es, unsere eigenen Hybriden in Südamerika zu verkaufen?
Sie sind für uns der Schlüssel zur Profitabilität, um wiederum kontinuierlich in Zuchtprogramme zu investieren. Es gibt Phasen, in denen wir auf Lizenzen angewiesen sind, um eine Lücke im Portfolio zu schließen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein neues Merkmal eingeführt wird. Aber aus strategischer Sicht wollen wir so schnell wie möglich von Lizenzen für genetisches Material wegkommen.
KWS ist die am schnellsten wachsende Marke in Brasilien. Die erste firmeneigene Hybride verspricht einen weiteren Schub.
Welche Unterschiede gibt es in dieser Hinsicht in den Märkten?
In Argentinien und Chile haben wir kaum lizenziertes Material verwendet und konnten daher günstige Margen beibehalten.
In Brasilien hat das Team in den vergangenen zehn Jahren in allen Bereichen des Geschäfts erst einen enormen Wandel vollziehen müssen – von der Züchtung über die Produktion bis hin zu Marketing und Vertrieb. Der Wandel betraf auch das Produktportfolio: Wir sind schnell von Traits und genetischem Material von Monsanto zu einer Trait-Plattform von Syngenta übergegangen. Sie basiert hauptsächlich auf der neuesten Insektenresistenz VIP3 und sogenannten Co-Hybriden, bei denen eine elterliche Komponente der Hybride lizenziert ist.
In diesem Jahr haben wir in Brasilien eine neue, zu hundert Prozent firmeneigene Hybride eingeführt: K7510VIP3. Zum Start haben wir 140.000 Einheiten, und wir erwarten, dass die Menge in den kommenden Jahren auf über eine Million steigen wird. Dies sollte unserer Rentabilität in Brasilien einen deutlichen Schub geben.
Wie wichtig ist der finanzielle Aspekt in unseren Märkten Südamerikas?
Eine Herausforderung in Südamerika besteht darin, genügend Gewinn zu erwirtschaften. So können wir unseren Zuchtfortschritt aufrechterhalten und unsere Aktivitäten in diesen Märkten finanzieren, die wegen ihrer schwankenden Wirtschaftsleistung hohe Zinssätze für Betriebskapital haben. Anders ausgedrückt: Wir müssen die Profitabilität und die Liquidität verbessern – sonst werden alle unsere Bemühungen von den Kosten aufgefressen.
Zurück nach Europa: Sie haben unsere Position beim Silomais und beim Körnermais erwähnt. Was sind hier unsere größten Herausforderungen?
Beim Silomais sind wir in unseren Kernmärkten Deutschland und Nordeuropa in einem harten Wettbewerb. Wir freuen uns deshalb sehr über unser neues Portfolio, das wir in diesem Jahr auf den Markt bringen werden. Unsere Züchterinnen und Züchter haben Probleme mit der Standfestigkeit der Pflanzen gelöst und konzentrieren sich jetzt auf energiereiche Hybriden.
Beim Körnermais sind wir an einem Punkt, an dem wir seit Jahren sein wollten: Unser Portfolio, das mit Sorten wie KWS KASHMIR begann, ist jetzt äußerst wettbewerbsfähig und wird durch eine Reihe neuer Produkte ergänzt, die gerade auf den Markt kommen. Wir haben gute Argumente, unseren Kunden zu sagen: Bleiben Sie dran und „#EXPECTMORE from KWS“.
Unser neues Portfolio hilft uns im harten Wettbewerb beim Silomais in Europa.
Haben Sie auch weitere Kulturarten im Blick?
Ja, wir machen auch Fortschritte in unserem Zuchtprogramm für Sonnenblumen. Uns ist klar, dass die Entwicklung neuer Sorten ein langfristiger Prozess ist, aber wir sehen in der Sonnenblume im Zusammenspiel mit dem Raps eine perfekte Ergänzung für unsere Kunden in Ost- und Südosteuropa.
Die Ukraine ist einer der größten Produzenten von Raps und Sonnenblumen. Welche Auswirkungen hat der Krieg auf die Menschen und auf KWS?
Der Krieg in der Ukraine ist zweifellos eine der größten Sorgen in Europa. Er hat dramatische Konsequenzen für unsere Kolleginnen und Kollegen, für Landwirte, für die Menschen in der Ukraine und die Gesellschaft insgesamt, für die Ernährung der Menschen und für die Rohstoffpreise, die bereits durch die Witterungsbedingungen stark beeinflusst wurden. Wir müssen zur Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln weiterhin unseren Beitrag als Züchter leisten, wobei die Sicherung der Saatgutversorgung und die Entwicklung von Genetik mit höchsten Erträgen unsere oberste Priorität ist.
Wir mussten den Ausbau unserer Saatgutproduktionsanlage in der Ukraine mittendrin unterbrechen und hoffen, den Bau wieder aufnehmen zu können, sobald die Bedingungen es zulassen. |
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