Saatgut seit sieben Generationen
30 Jahre politische Wende – 163 Jahre KWS
Wir nehmen Sie mit auf eine kleine Zeitreise in die KWS Geschichte – weichenstellende Ereignisse aus der Zuckerrübenzüchtung, Zucker-fabrikation und Saatgutvermehrung in Klein Wanzleben und Einbeck.
1856
Die Geburt der KWS Den Grundstein für die heutige KWS legte 1856 der Ackerbauer Matthias Christian Rabbethge, als er die Aktienmehrheit an der 18 Jahre zuvor gegründeten Zuckerfabrik Klein Wanzleben erwarb. Der „Mützenmann“ agierte klug und zielstrebig, indem er mit dem Jungunternehmer Julius Giesecke frühzeitig einen kompetenten und finanzkräftigen Partner ins Haus holte. Ungewöhnlich für einen Landwirt der damaligen Zeit war auch, dass er seine beiden Söhne Carl und Matthias studieren ließ. Diese Investition zahlte sich aus, denn mit seinen Erkenntnissen aus der systematischen Selektion und Kreuzung von Zuckerrüben schuf Matthias Rabbethge junior die Grundlage für den sich schnell einstellenden Unternehmenserfolg.
1885
Retter in der Not In diesem Schicksalsjahr bewahrte Carl Valentin Rabbethge das Unternehmen vor einem drohenden Konkurs. Er war als weichender Erbe nach Einbeck gegangen und führte dort einen Landwirtschaftsbetrieb. Nach dem plötzlichen Tod seines Bruders Matthias Rabbethge 1885 kam er nach Klein Wanzleben zurück, übernahm das führungslos gewordene Unternehmen und reorganisierte Gläubiger und Investoren unter dem Namen Zuckerfabrik Kleinwanzleben in einer neu gegründeten Aktiengesellschaft. Außerdem ließ das Unternehmen in diesem Jahr beim kaiserlichen Patentamt die erste Schutzmarke und das Warenzeichen „Kleinwanzlebener Original“ eintragen.
1900
Weltmarktführer Zuckerrübe Der angesehene Botaniker Dr. Wilhelm Raatz hatte wesentlichen Anteil daran, dass die KWS um 1900 weltweit das meiste Zuckerrübensaatgut verkaufte. Er entwickelte neue Werttabellen für die Rübenselektion und die systematische Klassifizierung von Zuckerrüben in vier Zuchtrichtungen – bald ein Standardverfahren in der Branche. Im Aufwind des Zuckerrübenverkaufs gründete das Unternehmen 1900 in Winniza (Ukraine) seine erste internationale Filiale. Hier wurde Saatgut produziert und gezüchtet. Während der Oktoberrevolution ging dieses lukrative Auslandsgeschäft 1917 allerdings entschädigungslos wieder verloren.
„Wer mehr verzehrt, als er gewinnt, der wird zuletzt ein armes Kind.“
1920
Beginn der Diversifizierung In Folge der durch den Ersten Weltkrieg erlittenen Verluste erweiterte die Unternehmensführung Anfang der 1920er Jahre ihr Züchtungsprogramm um weitere Pflanzenarten. Von nun an hatten Futterrüben, Kartoffeln und Getreide ihren festen Platz im Sortenportfolio des Klein Wanzlebener Unternehmens. Diese strategische Neuausrichtung in Richtung Diversifizierung erwies sich rückblickend als eine wichtige Weichenstellung für die weitere Entwicklung der KWS bis heute.
1945
Zusammenbruch und Neuanfang KWS hatte während der NS-Diktatur „Ostarbeiter“ zwangsbeschäftigt. Mit der Beteiligung an der im Jahr 2000 gegründeten Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ steht das Unternehmen zu seiner historischen und moralischen Verantwortung.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte das Klein Wanzlebener Unternehmen zur sowjetischen Besatzungszone, wurde enteignet und verlor seine Existenzgrundlage. Doch brachten britische Soldaten Ende Juni 1945 noch vor dem Einmarsch der russischen Armee die Eigentümerfamilien, einige leitende Züchter und rund 60 Tonnen Elitesaatgut in einer abenteuerlichen Nacht- und Nebelaktion nach Niedersachsen. In Einbeck gelang der Neubeginn und innerhalb kurzer Zeit lag KWS wieder auf Erfolgskurs.
1952
Gründung Institut für Pflanzenzüchtung Das 1952 gegründete Institut für Pflanzenzüchtung in Klein Wanzleben, 1967 umbenannt in Institut für Rübenforschung, war der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften in Berlin angegliedert. Die Zuckerrübenforschung und -züchtung der DDR konzentrierte sich in Klein Wanzleben. 1989 waren hier rund 260 Mitarbeiter beschäftigt.
1963
Zulassung der ersten monogermen Zuckerrübensorte Durch die extrem aufwendige Selektion von rund einer halben Million Pflanzen gelang es in den 1950er Jahren, in Klein Wanzleben acht einkeimige Samenträger zu identifizieren. Als Ergebnis dieser Züchtungsleistung wurde 1963 in der DDR die erste monogerme Zuckerrübensorte zugelassen – früher als in der Bundesrepublik. Trotz dieses Züchtungserfolgs blieben die Leistungen der DDR-Zuckerrübensorten schon bald deutlich hinter denen des Westens zurück. Mit verschiedenen legalen (KWS Zusammenarbeit, S. 8) und illegalen (Operation Kristall, S. 10) Aktivitäten versuchten die verantwortlichen Institutionen der DDR bis zum Mauerfall diesen Rückstand aufzuholen.
1969
Betaseed – Einstieg in den amerikanischen Zuckerrübenmarkt Nachdem KWS nordamerikanische Landwirte schon vor dem Zweiten Weltkrieg mit Zuckerrübensaatgut versorgt hatte, strebte vor allem Carl-Ernst Büchting, damals die prägende Persönlichkeit der KWS, die „Rückeroberung“ dieses Marktes an. Dazu brauchte es Geduld und einen langen Atem. Bereits zehn Jahre zuvor hatte KWS in Kanada die Firma Incoseed gegründet, um hier gezielt Sorten zu entwickeln, die den Anforderungen in dieser Region entsprachen. Die Ergebnisse dieser Züchtungen flossen 1969 in die zunächst gemeinsam mit einem amerikanischen Unternehmen gegründete Firma Betaseed. Heute ist Betaseed eine hundertprozentige KWS Tochter und Marktführer bei Zuckerrübensaatgut in den USA.
1972
Erstes Labor für Zellbiologie Zell- und molekularbiologische Spitzentechnologien sind heute aus der modernen Pflanzenzüchtung nicht mehr wegzudenken. Solide Investitionen in die Forschung und Entwicklung haben in den über 160 Jahren ihrer Existenz zu allen Zeiten die Wettbewerbsfähigkeit der KWS gesichert. Den Einstieg in die biotechnologische Forschung markierte bei KWS 1972 der Aufbau einer Arbeitsgruppe „Allgemeine Forschung“, der ein erstes zellbiologisches Labor zur Verfügung stand. In der 1984 gegründeten PLANTA Angewandte Pflanzengenetik und Biotechnologie GmbH bündelte KWS bis 2010 Aktivitäten der Forschung und Entwicklung für alle Fruchtarten. Heute investiert KWS rund 18 Prozent seines Umsatzes – im Jahr 2018 sind das 200 Millionen Euro – in die Forschung und Entwicklung neuer Sorten. Im Frühjahr 2020 werden 170 Mitarbeiter in das neu gebaute zweite Biotechnikum einziehen.
„Die familiengeprägte Kultur ist eine große Stärke unserer KWS.“
1990
Rückkehr an den Ursprungsort Mit der politischen Wende 1989 bekam KWS die Möglichkeit, an den Ursprungsort des Unternehmens, nach Klein Wanzleben, zurückzukehren. Seit den 1980er Jahren hatte KWS bereits in geringem Umfang Geschäftsbeziehungen zur DDR beziehungsweise zum Institut für Rübenforschung (IfR) unterhalten, wo sich die Zuckerrübenzüchtung des sozialistischen Nachbarstaats konzentrierte. 1990 fiel die Entscheidung, die Klein Wanzlebener Zuchtstation zurückzukaufen, dort Leistungsprüfungen durchzuführen und ein Qualitätslabor für Zuckerrüben, später auch Mais einzurichten. Heute arbeiten in Klein Wanzleben 65 KWS Mitarbeiter.
2000
Forcierte Internationalisierung Schon im zwanzigsten Jahrhundert hatte KWS die Ausdehnung der geschäftlichen Aktivitäten in der gemäßigten Klimazone weltweit im Blick. Im neuen Jahrtausend rückte dieses strategische Ziel noch stärker in den Fokus. So ist KWS seit dem Jahr 2000 mit dem Gemeinschaftsunternehmen AgReliant fast flächendeckend im amerikanischen „corn belt“ vertreten. Infolge dieses Engagements überholte das Maissegment ab dem Geschäftsjahr 2005/2006 die Zuckerrüben als stärkster Umsatzlieferant der KWS.
Zu den wegweisenden internationalen Engagements gehören außerdem der Einstieg in den brasilianischen Saatgutmarkt 2012 mit zwei Joint Ventures und der Beginn einer Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen KENGFENG – KWS SEEDS CO., LTD für das Maisgeschäft in China.
2019
Siebte Generation der Gründerfamilie verstärkt den Vorstand Seit Januar 2019 ist mit Felix Büchting die Gründerfamilie der KWS in der siebten Generation wieder im Vorstand vertreten. Zuständig für die Business Unit Getreide, Personal und Landwirtschaft hat sich das neue Vorstandsmitglied auf die Fahnen geschrieben, die familiengeprägte Unternehmenskultur bei KWS mit ihren Säulen Unabhängigkeit, Kontinuität und Verlässlichkeit weiter zu stärken. |
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