Menschen

Porträt

Brigitta Schmiedchen

Zusammen gewachsen

Brigitta Schmiedchen war bereits Züchterin in Petkus, als KWS den Standort 1991 nach der deutschen Wiedervereinigung erwarb. Daraus ergab sich die Aufgabe, das durch die deutsche Teilung getrennte und weiterentwickelte Zuchtmaterial wieder zusammenzuführen.

Seit fast vierzig Jahren arbeitet Brigitta Schmiedchen an unserem Roggen-Traditionsstandort in Petkus.

Nachdem Ferdinand von Lochow 1881 im brandenburgischen Petkus südlich von Berlin die Roggenzüchtung geprägt hatte, stieg Brigitta Schmiedchen knapp einhundert Jahre später an diesem historischen Ort in ihre berufliche Laufbahn ein. „Das kam 1983 eher durch Zufall“, sagt sie rückblickend. Eigentlich wäre Brigitta Schmiedchen gern Pharmazeutin geworden. In der damaligen DDR war ihr Weg aufgrund ihres landwirtschaftlichen Hintergrundes jedoch vorgezeichnet, und sie nahm ein Landwirtschaftsstudium auf.

Ihr Interesse galt weiterhin der Chemie – auch wenn der Schwerpunkt nun nicht mehr auf der Medizin, sondern auf dem Pflanzenschutz lag. „In der zentralen Jobvermittlung, die es damals in der DDR gab, habe ich nach dem Studium aber keine Stelle als Verantwortliche für Pflanzenschutz finden können.“ Diesen Beruf gab es sowohl in Agrargesellschaften als auch in landwirtschaftlichen Betrieben. „Mir wurde dann die Pflanzenzüchtung empfohlen.“ Eine Arbeitsstelle fand sie im Institut für Getreidezüchtung – also im ehemaligen und zwischenzeitlich verstaatlichten Betrieb von Ferdinand von Lochow.

Wiedervereinigtes Saatgut

Ein Jahr nach der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland erwarb KWS den ehemaligen Firmensitz in Petkus zurück – und für Brigitta Schmiedchen begann eine aufregende Zeit bei ihrem neuen Arbeitgeber. „Natürlich wollten wir das Vertrauen, das uns Angestellten entgegengebracht wurde, nicht enttäuschen. Wir wollten die Züchtungsaktivitäten in Petkus unter den neuen Voraussetzungen weiterentwickeln.“

Denn mit der politischen Wiedervereinigung gab es auch eine Wiedervereinigung von Zuchtmaterial, das bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges denselben Ursprung gehabt hatte, in den Jahren der deutschen Teilung aber unterschiedliche Wege gegangen war. „Die intensive Selektion und Rekombination im Zuchtmaterial hat zu mehr und neuer Variabilität geführt.“

Brigitta Schmiedchens Aufgabe war es nach 1991, die Leistung des Zucht­materials zu prüfen und besondere, wertbestimmende Merkmale zu beschreiben. „Wir wollten den Schwerpunkt der Resistenzzüchtung, die hier am Standort in Petkus mit seinen sandigen Böden und der Trocken­heit sehr gut etabliert war, weiterentwickeln und resistentes Ausgangsmaterial für das Roggenzuchtprogramm bereitstellen. Wir haben damit unser Züchtungsprogramm leistungsmäßig verbessert und mit dieser Genetik auch viele neue Linien entwickeln können, die Basis für neue Hybriden sind.“

Resistenzzüchtung

„Modellstandort für den Klimawandel“

Böden mit wenig Nährstoffen, hohe Trockenheit: Petkus eignet sich seit jeher für die Züchtung von Roggen, weil die Kulturart auch unter ­widrigen Bedingungen bestehen kann. Züchter Jakob Eifler erklärt im Video, weshalb diese Tatsache auch für unsere Nachhaltigkeitsziele förderlich ist. |

Fokus auf Ertrag und Resistenzen

Auch dreißig Jahre später gibt es immer wieder neue Herausforderungen. „Mittlerweile haben wir einen zweiten Züchter in Petkus“, sagt die Brandenburgerin. Gemeinsam mit Jakob Eifler sucht sie nach neuen Eigenschaften, die ihre Züchtungsziele unterstützen. Jakob Eifler kümmert sich in erster Linie um Stressfaktoren und Resistenzen, sie verantwortet die Ertragssteigerung. „Nur in engem Austausch miteinander können wir neue Eigenschaften finden, um unsere Züchtungsziele zu erreichen. Als genetische Ressourcen nutzen wir auch Material aus Genbanken und schauen, wie wir gute neue Leistungsträger identifizieren können.“

Auch wenn sie vor 39 Jahren eher zufällig in der Pflanzenzüchtung und später bei der KWS gelandet ist: „Rückblickend habe ich viel Glück gehabt und bin zufrieden damit, wie es sich ergeben hat. Mein Tutor hat gesagt, man müsse nach zehn Jahren das Unternehmen wechseln, um wieder kreativ denken zu können. Mein Arbeitsplatz bietet aber so eine Vielfalt an Aufgaben und Herausforderungen, dass es spannend ist, an ihnen zu arbeiten und immer wieder einen Zuchtprozess zu begleiten und erfolgreich abzuschließen.“

Über neue biotechnologische Verfahren werden mehr Informationen zur Verfügung gestellt, wodurch die Arbeit noch präziser wird, und das führt zu mehr Leistung und Fortschritt. In diesem Zusammenhang weiß Brigitta Schmiedchen den Austausch unter den Stationen und Forschenden bei KWS zu schätzen. „Wir sind keine Insellösung, sondern wir sind vernetzt über alle Bereiche, ob das im technischen Bereich ist oder in der Wissenschaft und Forschung.“

Teamarbeit: Züchter Jakob Eifler kümmert sich seit 2017 um die Resistenzzüchtung, Brigitta Schmiedchen um den Ertrag.

Roggen: kleine Art mit großer Bedeutung

Den Roggen an sich bezeichnet die Züchterin als kleine Getreideart. „Der Markt ist relativ klein. Wir züchten für den gesamten Rye Belt.“ Dieses Gebiet erstreckt sich über Deutschland, Nord- und Osteuropa, Russland und Kanada sowie China. Für jede Region eine eigene Züchtung aufzubauen wäre finanziell nicht sinnvoll. Unsere Sorten sollen deshalb auch andernorts gute Leistungen erbringen. „Wir haben Tests etabliert, um Stressfaktoren auch für andere Standorte von hier aus beurteilen zu können.“

Trotz des Nischenmarkts hat Körner- und Biomasseroggen im Portfolio der KWS einen hohen Stellenwert – denn seit 2006 züchtet KWS ausschließlich Hybridroggensorten. |


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