Menschen

Porträt

Remzi Doğan und Ahmet Şahin

Drei Sorten, zwei Kollegen, ein Ziel

Der eine ist seit mehr als 25 Jahren in der Gemüsezüchtung, der andere bringt frische Impulse direkt aus seinem Masterstudium. Gemeinsam wollen Remzi Doğan und Ahmet Şahin bis 2027 neue Paprikasorten in drei Varianten auf den türkischen Markt bringen.

Wenn Ahmet Şahin etwas unbedingt will, dann kann er sehr hartnäckig sein. Das erfährt auch Remzi Doğan, Leiter der Gemüsezüchtung in der Türkei und sein heutiger Chef. Der frischgebackene Hochschulabsolvent hat im Januar 2021 gerade seine erste Arbeitsstelle nach dem Masterstudium angetreten und weiß von einem neuen Züchtungsprogramm für Gemüse bei KWS in der Türkei. Vor zwei Monaten erst, im November 2020, hatte Remzi Doğan damit begonnen, unsere Tomaten-, Gurken- und Paprikazüchtung in Antalya von Grund auf neu aufzubauen. Nun ist er auf der Suche nach einem Paprikazüchter – und für diese Stelle interessiert sich Ahmet Şahin, den die Forschung bei KWS besonders reizt. Er schreibt Remzi Doğan, dessen Kontaktdaten er seit dem Studium hat, mehrere Nachrichten.

Die Hartnäckigkeit zahlt sich aus: Remzi Doğan nimmt Ahmet Şahin im August 2021 als Assistenztomatenzüchter in sein Züchtungsteam auf und befördert ihn im Januar 2022 zum Paprikazüchter. In kurzer Zeit zeigt er hervorragende Arbeit und gewinnt neue Einblicke in die Züchtung.

„Für mich passt es perfekt“, sagt Ahmet Şahin. Zwar hatte er zuvor keine Berührungspunkte mit Paprika: In seiner Abschlussarbeit beschäftigte er sich mit der Genetik von Auberginen, und bei seinem ersten Arbeitgeber in der Privatwirtschaft, bevor er zu KWS wechselte, war er als Assistenztomatenzüchter tätig. „Aber egal, bei welcher Kulturart: Genetik ist immer entscheidend.“ Nach dem ersten Jahr in der Paprikazüchtung hatte er den Bogen raus. „Mit Remzi bin ich sehr schnell immer besser geworden. Ich habe das Gefühl, dass wir zusammen immer weiter wachsen können.“

Remzi Doğan hat die Station in Antalya aufgebaut. Aktuell wird sie um neue Gewächshäuser erweitert (im Bild: Betriebsleiter Fehmi Akinci).

Alle sechs Monate erfolgt die Selektion nach Eigenschaften wie Ertrag, Qualität und Krankheitsresistenzen.

„Menschen geben Vertrauen“

Damit ist er ein gutes Beispiel für eine Aussage, die Remzi Doğan beim Aufbau seines Teams als entscheidend erachtet: „Mir geht es in erster Linie um die Grundeinstellung der Menschen. Wissen kann ich vermitteln – aber ohne die richtige Einstellung ist das nutzlos.“ Zugleich lobt er, mit welcher Qualität Ahmet Şahin ins Berufsleben gestartet ist. „Wir bekommen auf diese Weise aktuelles Wissen aus der akademischen Forschung. Es entsteht eine fruchtbare Kombination aus neuesten Erkenntnissen einerseits und aus Erfahrung andererseits.“

Ihren Anfang nahm die Paprikazüchtung von KWS – ebenso wie die Gurken- und die Tomatenzüchtung – in Antalya im November 2020. Remzi Doğan arbeitete zu dieser Zeit seit 16 Jahren für Bayer und BASF, ebenfalls in der türkischen Stadt am Mittelmeer. Sein Schwerpunkt waren Gurken. Dass er dennoch das Unternehmen wechselte, hatte mehrere Gründe: Léon Broers, den neuen Leiter der Business Unit Gemüse, kennt er seit 2002 von einer Vorlesung an der Universität Wageningen, und mit dessen Vorgänger Paul Degreef sowie Coert Engels, globaler Leiter der Züchtung bei KWS Gemüse, hatte er schon zusammengearbeitet. „Menschen zu kennen gibt einem das Vertrauen für solch einen Wechsel.“

„Wir können zusammen immer weiter wachsen.“

Ahmet Şahin

Hinzu kam die Aussicht, der Gründungsvater von KWS Gemüse in der Türkei zu werden und ein Team komplett neu aufzubauen. Zwischen seinem Einstieg bei KWS als Ein-Mann-Show und heute sorgte Remzi Doğan für die Infrastruktur – es waren geeignete Grundstücke inklusive Gewächshäuser, Anzucht und Büroräume zu finden – und vergrößerte das Team in der Tomaten-, Gurken- und Paprika­züchtung auf aktuell 18 Personen.

Dass die Wahl für KWS auf Antalya fiel, ist wenig überraschend. Die Stadt gilt als idealer Standort – neunzig Prozent aller Gewächshauskulturen des Landes befinden sich dort, weiß Remzi Doğan. Grund sind die guten klimatischen Bedingungen sowohl im Flachland als auch in den angrenzenden Bergen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, elf Monate im Jahr zu produzieren. „Das spart noch dazu Energie, weil nicht geheizt werden muss.“ Die gute Flughafenanbindung nach Europa tut ein Übriges.

Im ersten Jahr – 2021 – stand für Remzi Doğan am neuen Standort für die türkische Gemüsezüchtung die Marktanalyse an, die Ahmet Şahin nach seiner Beförderung zum Paprikazüchter ab Januar 2022 weiterführte.

Die erste Aufzucht unter realen Bedingungen machen Remzi Doğan (Mitte) und Ahmet Şahin (rechts) in den Gewächshäusern von Ahmets Vater (links).

Züchtung von drei Paprikasorten

Als Ergebnis kristallisierten sich Züchtungsprogramme für die Sorten Kapia (Spitzpaprika), Carliston (türkische Spitzpaprika) und Sivri (süß-scharf) heraus. Sie haben in der Türkei das größte Marktpotenzial und werden in diverse Märkte exportiert – zum Beispiel nach Deutschland, wo es viele türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger gibt. Andere Kapia-Anbaugebiete sind auf dem Balkan in Europa und im nordafrikanischen Marokko.

„Die Herausforderung wird es sein, es mit unseren eigenen Sorten in diese Märkte zu schaffen“, sagt Ahmet Şahin. Als Beispiel nennt er eine Kapia-Variante, die bei Anbauern seit 2008 unangefochten an der Spitze der beliebtesten Sorten steht. Das KWS Züchtungsprogramm muss also dieselbe Qualität wie dieser Mitbewerber erreichen und mit mindestens einem zusätzlichen Merkmal hervorstechen. „2027 oder 2028 wollen wir unsere ersten Sorten verkaufen“, nennt Ahmet Şahin das erste Etappenziel. In zehn Jahren soll KWS auf der Liste der beliebten Paprikasorten auftauchen. Sich selbst hat er das Ziel gesetzt, neuartige Merkmale oder ganz neue Marktsegmente zu entdecken.

Kapia, Carliston und Sivri heißen die in der Türkei gezüchteten Paprikasorten.

Bis dahin gilt es, die 2021 begonnene Züchtung weiter voranzutreiben: Vor zwei Jahren hatte Remzi Doğan die ersten Populationen entwickelt, die seitdem alle sechs Monate nach phänotypischen Eigenschaften selektiert werden: Ertrag, Qualität und Krankheitsresistenzen. „Das Labor in Einbeck war uns dabei mit molekularen Markern eine große Hilfe“, sagt der Leiter der türkischen Gemüsezüchtung. Die ersten Versuchshybriden und ihre sechste Generation der Elternlinien wurden in diesem Sommer geerntet und nun im September erstmals unter realen Bedingungen ausgesät. Remzi Doğan: „Ende des Jahres werden wir deren Leistungsfähigkeit beurteilen können.“

Aktuell geht es um mehrere Hundert Varianten je Paprika­sorte – 600 Varianten insgesamt. Nach der Selektion der besten werden davon im kommenden Jahr weniger als fünfzig je Sorte übrig bleiben, ehe im übernächsten Jahr noch drei bis vier Sorten auf der Liste stehen sollen. „Danach werden wir dann in der Lage sein, ein oder zwei davon zu vermarkten“, sagt Remzi Doğan.

Es bleibt in der Familie

Für eine erste Aufzucht unter realen Testbedingungen und die anschließende Selektion hat Ahmet Şahin einen sehr engen Verwandten überzeugen können, Gewächshäuser zur Verfügung zu stellen: seinen eigenen Vater, der in den letzten zehn Jahren Paprika in Antalya angebaut hat. Der Einstieg in die Gemüsezüchtung war dem 28-Jährigen in die Wiege gelegt.

Aktuell baut sein Vater auf die etablierten Sorten der Mitbewerber. Wer die Hartnäckigkeit seines Sohnes kennt, der weiß: Er wird sein Bestes geben, um das zu ändern. „In drei Jahren wird mein Vater hoffentlich unsere fertigen Hybriden nutzen“, sagt Ahmet Şahin und schmunzelt. |


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