Menschen

Porträt

Paloma Moe arbeitet an herbizidtoleranten Zucker­rübensorten. In einem weiteren Projekt ist es ihr gelungen, Root Maggot zu züchten einen Zuckerrübenschädling.

Paloma Moe

„Ich verkuppele Fliegen“

Paloma Moe will Zuckerrüben in den USA gegen einen weit verbreiteten Schädling schützen – hartnäckig, humorvoll und mit viel Erfinderinnengeist.

Eine Luftpumpe als Laborgerät? Leere Smoothie-Plastikbecher im Brutkasten? Katzenstreu daneben? Paloma Moe zuckt mit den Schultern und schmunzelt, wenn sie von der Forschung an „ihrem Baby“ erzählt. „Ihr Baby“, das ist die Züchtung von Schädlingen. Genauer: der Root Maggot, einer Fliegenlarve, die sich von jungen Zuckerrübenwurzeln ernährt. Die Larve schadet damit der Pflanze, wächst zu einer Fliege heran und legt in der nächsten Saison erneut Eier an die Wurzeln von Zuckerrüben. Bei Paloma Moe haben die Stadien sogar Namen: Watto (die Fliege) und Jabba (die Made) – Charaktere aus der Fantasy-Sage „Star Wars“, ihres Aussehens und Verhaltens wegen.

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▶ Erfinderin

Warum Paloma Moe ihr Werkzeug für die Forschung selbst baut und wie sie auf ihre Ideen kommt.

Bei allem Humor hat die Züchtung der Schädlinge einen seriösen Hintergrund: Die Root Maggot ist im Norden der USA eine der größten Zuckerrübenplagen. „Bislang gibt es kaum Erkenntnisse aus der Forschung über das Insekt unter kontrollierten Bedingungen im Gewächshaus“, sagt Paloma Moe. Als sie sich ab 2016 für KWS mit dem Schädling beschäftigen sollte, gab es folglich keine speziellen Gerätschaften.

Deshalb baute Paloma Moe selbst welche: Die Luftpumpe, verbunden mit Schläuchen, nutzt sie, um Fliegen anzusaugen und in anderen Gefäßen wieder auszusetzen – beispielsweise den leeren Smoothie-Plastikbechern, auf deren Boden die Fliegen dann ihre Eier legen. Und das Katzenstreu? „Ich hatte anfangs ein Problem, weil ich nicht wusste, welche Erde die Maden mögen.“ Die Fliegen hätten zwar Eier gelegt, und Paloma Moe legte sie zu jungen Zuckerrüben, aber die Larven überlebten nach dem Schlüpfen nicht. Warum? „Eines Tages sah ich Werbung für Katzenstreu und hatte die Idee, es unter die Erde zu mischen.“ Denn zuvor, so vermutete sie, hätten sich die Maden im losen Boden schlicht nicht richtig fortbewegen können. Mit der eigenen Mischung funktionierte es.

Anstelle eines Strohhalms nutzt Paloma Moe jetzt eine Luftpumpe, …

… um die Fliegen einzeln anzusaugen.

Das Ziel: einheitliche Daten

Frisch geschlüpfte Larven sind es, die Paloma Moe für ihre Forschung braucht. Unter natürlichen Bedingungen sind sie schwer zu erforschen. „Mal macht Regen den Tieren zu schaffen, mal legen sie ihre Eier nicht an jede Pflanze, und so ist es sehr schwierig, an einheitliche Daten zu kommen.“

Zunächst sammelte die Züchterin also seit 2016 mit sieben Kolleginnen und Kollegen jedes Jahr mehr als 10.000 Larven im dritten von drei Lebenszyklen auf Zuckerrübenfeldern in St. Thomas, North Dakota, sechs Stunden von ihrem Labor in Shakopee entfernt an der kanadischen Grenze. In dem Bundesstaat ist die Wurzelplage verbreitet. Von dort brachte Paloma Moe die ­Larven ins Labor. Als es ihr schließlich gelang, dass sich Fliegen entwickelten, „musste ich sie dazu bringen, sich zu paaren“. Leichter gesagt als getan: „Die Fliegen sind echt witzig manche Männchen und Weibchen mochten sich einfach nicht“, sagt Paloma Moe und schmunzelt wieder. „Ich wurde zu einer Partnervermittlerin und musste so lange neue Männchen auswählen, bis ich sie mit einem Weibchen verkuppelt hatte, um später an die Eier der Weibchen zu kommen.“ Auch diese Hürde meisterte die gebürtige Brasilianerin.

Einsammeln leicht gemacht: Bei Hitze winden sich die Larven tiefer in die Erde. Paloma Moe nutzt dafür Lampen, bis die Larven auf Teller fallen.

Smoothie-Becher für die Brut: Auf einem schwarzen Tuch sind die Eier gut sichtbar.

Optimierte Bedingungen: neues Labor

Zuletzt gelang es Paloma Moe, aus dreißig Eiern durchschnittlich 28 Larven des dritten Stadiums zu gewinnen, mit denen sie Zuckerrüben infizierte eine sehr gute Basis, um vergleichbare Daten sammeln zu können. Die ersten Erkenntnisse stehen kurz bevor: „Wir testen die ersten Linien, und in drei bis vier Monaten werden wir die Ergebnisse haben.“ Das bedeutet: Paloma Moe wird analysieren können, von welchen Zuckerrübenlinien sich der Schädling fernhält, und sich auf die Suche nach dem Resistenzgen machen, um es am Ende mit genetischen Methoden in Pflanzen einzukreuzen. Dafür wird die Forscherin optimierte Bedingungen vorfinden: In einem Neubau am Standort in Shakopee wird es eine neue Pflanzenwuchskammer für die Root-Maggot-Forschung geben.

Neben dieser Leidenschaft für „ihr Baby“ engagiert sich Paloma Moe mit derselben Hingabe für eine weitere Aufgabe, ihr Hauptprojekt: herbizidtolerante Sorten, die auf Mehrfachtoleranzen zur Unkrautkontrolle basieren. Es handelt sich dabei um das Nachfolgeprodukt von Roundup Ready®. Die neue Technologie soll Toleranzen gegen drei Herbizide bieten. „Wir haben das Merkmal ausgewählt, jetzt werden wir Elternlinien mit diesem Merkmal rückkreuzen.“

Root Maggot ist eine der größten Zuckerrübenplagen im Norden der USA.

Landwirtschaft seit der Kindheit

Früher, zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn und noch davor, hatte Paloma Moe gar nicht im Sinn, in die Züchtung zu gehen. Sie liebte die Landwirtschaft, weil ihre Großeltern eigene Höfe mit Kühen und Ziegen hatten. „Ich verbrachte bei ihnen meine Wochenenden.“ Aber Paloma Moe dachte in größeren Maßstäben. Tierärztin wäre eine Option gewesen. „Aber ich konnte ja nicht mal mitansehen, wenn die Kühe eine Infusion bekamen“, sagt sie mit einem Lächeln. „Ich mag allerdings Pflanzen und gärtnere gern ich könnte für die Tiere ja Nahrung anbauen“, überlegte Paloma Moe und studierte Agrarwissenschaften in Brasilien.

Wahrscheinlich wäre sie in ihrem Geburtsland geblieben, wenn sie einen Job in einer großen internationalen Firma bekommen hätte. Aber ihre Englischkenntnisse reichten nicht aus. Also zog sie in die USA und belegte Englischkurse am College of the Desert in Kalifornien. Im selben Jahr hatte sie die Möglichkeit, an der Ohio State University zu arbeiten und zu studieren. Die Hochschule ist Kooperationspartner von KWS in den USA.

Die Idee für das Buchsystem hat Paloma Moe aus der Forstwirtschaft. Es erleichtert die Auswertung der Tests. Unsere Forschung in Einbeck hat die Idee übernommen.

Paloma Moe fing dort in der Saatgutproduktion an. Fünfzehn Jahre ist das mittlerweile her. „Anfangs machte ich Handkreuzungen und ähnliche Dinge aber wusste gar nicht genau, wofür. Der Kreis schloss sich, als ich die Möglichkeit erhielt, in der Züchtungsgruppe mitzuwirken.“ So stellte sie fest, wie interessant sie nicht nur die Produktion von Pflanzen, sondern vor allem deren Züchtung fand. 2020 schloss sie ein Masterstudium in Pflanzenzüchtung ab. Ihr Interesse für den Ackerbau lebt sie nun im Privaten: „Auf vier Hektar baue ich Tomaten, Kartoffeln, Rote Beete, Spinat und Kürbisse an.“

Wenn sie auf ihre ersten fünfzehn Jahre bei KWS zurückblickt, dann klingt das ganz nach unserem Motto #makeyourselfgrow. Paloma Moe betont die Abwechslung, die Flexibilität, den guten Austausch im Unternehmen und die Freiheiten, Dinge auszuprobieren. „Und die Unterstützung für meine verrückten Ideen.“

Paloma Moe schmunzelt. |


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