Menschen

Porträt

Klaus Schmidt

Heureka!

Seit Klaus Schmidt vor 23 Jahren seine Doktorarbeit bei KWS geschrieben hat, erlebt er in der Biotechnologie alle Fortschritte mit. Die Methoden haben sich verändert, aber der Antrieb ist geblieben: durch den Eingriff in biologische Prozesse bessere Pflanzen zu erzeugen.

Es geht Klaus Schmidt wie vielen aus der Forschung und Entwicklung bei KWS: Bis er das Ergebnis seiner Arbeit sieht, dauert es oft Jahre. So war es auch, als sein Team erstmals eine neue Technologie beim Weizen anwendete, um die Eigenschaft eines Gens für eine Anwendung bei der Entwicklung von Hybridweizen zu bestätigen. „Die Vorgabe war: Nach drei Jahren müssen wir wissen, ob es geklappt hat.“

Nun stand der Weizen kurz vor der Blüte. Klaus Schmidt schaute an einem Freitagnachmittag ins Gewächshaus. Er hatte ein gutes Gefühl. „Aber ich konnte ja nicht stundenlang danebenstehen und warten“, sagt er schmunzelnd. Also ließ er das Wochenende verstreichen. Als er am Montag zurückkam, hatte der Weizen tatsächlich zu blühen begonnen und zeigte die gewünschte Eigenschaft: Die Pflanzen sollten männlich steril sein, also keinen Pollen bilden. „Das sind die Heureka-Momente meiner Arbeit“, sagt der 51-Jährige und strahlt.

Vom Gen zur neuen Pflanze

Wenn Klaus Schmidt von diesen Technologien erzählt, dann fallen Fachbegriffe wie „Transgen“, „Genom-Editierung“ und „Doppelhaploid“. Dahinter verbergen sich Verfahren, die nur mit entsprechendem Know-how und technischem Equipment möglich sind. „Wir bekommen aus der Forschung zum Beispiel ein vorbereitetes Kandidatengen, das für eine Pilzresistenz verantwortlich sein könnte.“ Mit klassischen und modernen Methoden greifen die Biotechnologinnen und -technologen dann gezielt in biologische Prozesse ein, um die Annahme der Forschung bestenfalls zu bestätigen.

Manchmal ist das identifizierte Gen aber doch nicht für die Eigenschaft zuständig. „Bei uns braucht man eine hohe Frustrationstoleranz.“ Zumal die Biotechnologie ein Glied einer Kette an Dienstleistungen ist. „Wenn es irgendwo Verzögerungen gibt, betrifft das auch die Planung der anderen.“

Begriffserklärung

Die genannten Methoden in der Biotechnologie

Transgen-Methode

Mithilfe der klassischen Transgen-Methode lassen sich einzelne, zuvor in anderen Organismen gefundene Gene oder Abschnitte auf der DNA in das Erbgut von Nutzpflanzen einbringen und somit gezielt übertragen. So entsteht eine Pflanze mit fremdem Gen (einem Transgen). Möglich ist es auch, bestimmte Gene abzuschalten. Die Methode im Detail.

Genom-Editierung

Die Genom-Editierung gehört zu den modernen Methoden der Pflanzenzüchtung und bietet zusätzliche Möglichkeiten, Pflanzen gezielt zu verbessern. Je nach ihrer Anwendung können einige der Verfahren genetisch veränderte Pflanzen hervorbringen. Mit der Genom-­Editierung können Züchtungsziele schneller und präziser erreicht werden als bisher und damit kann die genetische Variation für eine größere Sortenvielfalt erweitert werden. Ein Beispiel: Ist die Eigenschaft eines Gens in einer Pflanze bekannt oder liegt eine Vermutung über seine Eigenschaft vor, kann dieses Gen versuchsweise ausgeschaltet werden. Verliert die Pflanze dadurch ihre Eigenschaft, ist das vermutete Gen für diese Eigenschaft verantwortlich. Die Methode im Detail.

Doppel­haploiden-Methode

Bei herkömmlichen Züchtungsmethoden werden durch wiederholte Selbstbestäubung reinerbige Linien erzeugt, die Nachkommen mit der gleichen genetischen Ausstattung hervorbringen. Dies nimmt jedoch sieben bis acht Generationen in Anspruch. Mit der Doppelhaploiden-Methode gelingt dies in einer einzigen Generation: Es werden Pflanzenzellen isoliert und kultiviert, die nur einen Chromosomensatz tragen, also haploid sind. Daraus werden haploide Pflänzchen erzeugt, aus denen nach der Verdopplung des Chromosomensatzes reinerbige Pflanzen entstehen. Die Methode im Detail.

Fortschritte in 23 Jahren

Klaus Schmidt macht diese Arbeit für KWS seit mittlerweile 23 Jahren. Damals bekam er die Möglichkeit, seine Doktorarbeit bei der PLANTA zu schreiben. So hieß unsere Abteilung für angewandte Pflanzengenetik und Biotechnologie früher. „Ich habe vorher eine Ausbildung zum Landwirtschaftlich-technischen Assistenten gemacht und in der Pflanzenzüchtung bei einem Zuckerrübenzüchter gearbeitet. Dann habe ich angefangen zu studieren und mich danach einfach blind bei KWS beworben.“ Auch aus geografischer Sicht ein Glücksfall: Klaus Schmidt ist verwurzelt in einem Dorf etwa eine Stunde nördlich von Einbeck, wo er Handball spielte, heute seine Familie mit zwei Kindern hat und sich in der Kirche engagiert. Er blieb im gewohnten Umfeld.

Wer so lange bei einem Unternehmen ist, bekommt natürlich auch die Veränderungen mit. Ein Beispiel: Für seine Doktorarbeit brauchte Klaus Schmidt das Gen aus einer Wüstenpflanze. Dazu hatte er Literatur gefunden. „Ich musste also herausfinden: Wächst diese Pflanze irgendwo in einem botanischen Garten, damit ich daraus DNA gewinnen kann?“ Wenn er heute solche DNA braucht, dann bestellt er sie einfach im Internet. „Es ist erstaunlich, was mit Bioinformatik heute alles machbar ist.

Auch die biotechnologischen Verfahren haben sich weiterentwickelt und gewandelt. „Mein Themengebiet hat sich in den vergangenen fünf Jahren um die Doppelhaploiden-Technologie erweitert. Ohne sie ist eine effiziente Züchtung heute in einem Großteil der Pflanzen gar nicht mehr machbar.“

Und die Entwicklung wird nicht stehen bleiben: Klaus Schmidt sieht viel Potenzial in künstlicher Intelligenz, um via automatischer Bilderkennung frühzeitig Entscheidungen treffen zu können. „Ein Ziel von uns ist, dass wir die Funktion von Genen schon auf Zellebene analysieren können, sodass wir Analysen und Assays, die derzeit im Gewächshaus durchgeführt werden, schon im Reagenzglas erledigen können.“ Und gänzlich neue Methoden zu finden gehört ebenfalls zu den Zielen der Biotechnologie.

Klaus Schmidt und David Pacheco-Villalobos, Senior Scientist Cell
 Biology, besprechen ein Transformationsexperiment.

Dieses Gewebe nennt sich Zuckerrübenkallus.

Mithilfe der Transgen-Methode entstanden diese Maispflanzen. Vom Kulturraum geht es für sie ins Gewächshaus.

Erfolgreiche Kooperationen

Dafür schätzt Klaus Schmidt den Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie gemeinsame Projekte mit Externen. „Wir haben erfolgreiche Kooperationen zum Beispiel mit der Universität Wageningen, wodurch wir am Puls der Zeit sind. Eine andere Möglichkeit ist es, an öffentlich geförderten Projekten teilzunehmen. Da kommen Unis oft auf uns zu, weil wir die Forschungsergebnisse in die Praxis bringen können.“

Für unsere Biotechnologinnen und Biotechnologen ist die Arbeit mit Externen zugleich ein Spagat, erklärt Klaus Schmidt: „Wir als Wissenschaftler haben das Bedürfnis, Erkenntnisse vorzutragen. Sonst findet kein Austausch über Fortschritte in der Wissenschaft statt. Es gibt aber ständig knifflige Situationen: Was darf man preisgeben, und welche Erkenntnisse muss man für sich behalten, weil sie geistiges Eigentum der KWS sind?“

Wandel der Arbeit

Die Arbeitsgruppe von Klaus Schmidt ist mittlerweile auf 35 Personen gewachsen. International gehört auch eine Arbeitsgruppe in St. Louis zu seinem Team. Durch die Personalverantwortung als Gruppenleiter hat sich Klaus Schmidts eigene Arbeit gewandelt: Machte er früher noch selbst Versuche, nimmt heute die Teamleitung den größten Teil seiner Zeit ein. „Das Aktive fehlt mir schon manchmal, mein Wissenschaftlerherz schlägt ja immer noch.“ Anstatt selbst mit Kulturen zu arbeiten, gehe er heute ab und zu zum Schauen in den Kulturraum oder das Gewächshaus. „,Bestimmt freitagabends‘, wurde mir schon spaßeshalber angedichtet“, sagt Klaus Schmidt und schmunzelt wieder. |


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